Soll Rom Beziehungen zu Kairo normalisieren?
Seit der Ermordung des italienischen Studenten Giulio Regeni im Frühjahr 2016, mutmaßlich durch ägyptische Sicherheitskräfte, sind die Beziehungen beider Länder angespannt. Nun will Italien wieder einen Botschafter in Kairo einsetzen. Was die einen politisch wichtig finden, ist für andere ein skandalöses Zugeständnis an Ägypten.
Mehr als schlichte Realpolitik
Avvenire verteidigt die Entscheidung Roms:
„Wenn wir die Libyenkrise lösen wollen, sofern dies heute überhaupt möglich ist, müssen wir notgedrungen den Dialog mit Ägypten führen. Denn Kairo unterstützt General Haftar, [den Widersacher der libyschen Einheitsregierung] zu dem Italien ein eher gestörtes Verhältnis hat. Ein Dialog mit Haftar ist aber der beste Weg, um die Anarchie in einem Land zu bändigen, das den brutalen und mitleidlosen Menschenhandel mit Migranten unterstützt. Also schlichte Realpolitik? Ja, wenn dies bedeuten würde, im Fall Regeni klein beizugeben. Nein, wenn unsere Staatsanwaltschaft die Ermittlungen fortsetzt, wie sie es unter (anscheinend) wachsender Zusammenarbeit der lokalen Justizbehörden auch tut.“
Italien pfeift auf Menschenrechte
Offenbar sind die Menschenrechte für Italien in diesem Fall keine Priorität, empört sich Riccardo Noury, Sprecher von Amnesty International Italien, auf seinem Blog bei Il Fatto Quotidiano:
„Im Namen der Transparenz müsste die Regierung Gentiloni öffentlich erklären, dass die italienische Botschaft in Kairo ihre Arbeit wieder aufnimmt, um die nationalen Interessen zu verteidigen (Libyen, Erdöl, Terrorismus, Tourismus etc.). Und müsste entsprechend hinzufügen, dass die Verteidigung der Menschenrechte nicht zum nationalen Interesse gehört, auch nicht wenn es sich um die Rechte eines italienischen Bürgers handelt, der auf brutale Weise ermordet wurde (von den unzähligen Ägyptern, die jedes Jahr das gleiche Schicksal erleiden, ganz zu schweigen). ... Die Regierung in Kairo bedankt sich herzlich. Und auch hier in Italien freuen sich so manche.“