Tritt die Türkei einer eurasischen Achse bei?
Bei seinem Staatsbesuch im Iran sprach der türkische Präsident Recep Erdoğan am Mittwoch mit seinem iranischen Amtskollegen Hassan Rohani über gemeinsame Interessen in der Kurdenpolitik und im Energiegeschäft. Treibt die distanzierte Haltung Europas die Türkei den Großmächten im Osten in die Arme?
Einfach eine breit aufgestellte Außenpolitik
Eine eurasische Achse im Osten, der sich die Türkei anschließen könnte, gibt es nicht, meint Daily Sabah:
„Es ist doch klar, dass die türkische Außenpolitik nicht länger allein um die Vereinigten Staaten und die Europäische Union kreisen kann. Aber die Vorstellung, dass das Land sich nun ausschließlich auf die eurasischen Großmächte verlassen würde (in Ermangelung einer besseren Bezeichnung), ist realitätsfern. Es ist unmöglich, die Meinungsverschiedenheiten zwischen Russland und dem Iran zu ignorieren. Sie bilden also auch keine gigantische Achse. Im Endeffekt ist es der Türkei vor allem wichtig, ihre Interessen zu maximieren.“
Erdoğan rückt von West nach Ost
Die Türkei wendet sich immer mehr vom Westen ab und dem Osten zu, analysiert Nahost-Experte Alberto Negri in Il Sole 24 Ore:
„Putin und die Ayatollah sind von den Feinden, die sie einst für die Türkei an der syrischen Front waren, zum Stützbalken der katastrophalen Außenpolitik Erdoğans geworden. ... Ihm ist, mit der unglückseligen Unterstützung einiger westlicher und arabischer Mächte, das strategische Meisterwerk gelungen, die Türkei von Europa zu entfernen, um sie wieder in den Nahen Osten einzubinden, aus dem sie einst Atatürk herausgeführt hatte. Das wahre Problem im Nahen Osten ist heute nicht mehr Assad, sondern Erdoğan, dem angesichts der Vergangenheit weder Russen noch Iraner über den Weg trauen. Unterdessen schürt er unentwegt die Spannung mit den historischen Alliierten der Nato und den Europäern, indem er wie ein Pendel zwischen West und Ost hin- und herschwingt.“