Menschenrechtler aus türkischer Haft entlassen
Der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner ist aus der Untersuchungshaft in der Türkei freigekommen und nach Berlin zurückgekehrt. Offenbar hatte sich Ex-Bundeskanzler Schröder vor einigen Wochen für die Freilassung eingesetzt. Einige Kommentatoren werten diese als Zeichen der Entspannung, während andere wenig Anlass zur Freude sehen.
Fall Steudtner ist eine Farce
Die von Ex-Bundeskanzler Schröder vermittelte Freilassung des Menschenrechtlers Peter Steudtner in der Türkei ist der vorläufige Endpunkt einer Farce, urteilt Der Standard:
„113 Tage Untersuchungshaft wegen 'starker Belege' für die Mitgliedschaft in diversen Terrororganisationen werden es am Ende sein. Was Schröder dem türkischen Staatschef dafür angeboten hat, bleibt erst einmal geheim, so wie es die ganze Vermittlungsmission war. Man darf annehmen: Kalmieren der wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zur Türkei. Nach außen ist der Schein gewahrt. Die türkische Justiz hat entschieden, selbstverständlich ohne Zutun des Präsidentenpalasts. Für die türkischen Menschenrechtler läuft das Strafverfahren gleichwohl weiter. So fadenscheinig sich die Anklage auch liest, es geht um die Kriminalisierung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten in der Türkei.“
Erdoğan hat Deutschland als Geisel genommen
Die Freilassung Steudtners ist nicht nur Anlass zur Freude, meint der Deutschlandfunk:
„Die Geiselbefreiung der Bundesregierung mit ihrem Unterhändler Schröder lässt viele Fragen offen: Was war der Preis für die Freilassung Steudtners? Welchen Preis verlangt Erdoğan für die deutschen Journalisten Deniz Yücel und Meşale Tolu? ... Erdoğan hatte Deniz Yücel öffentlich vorverurteilt und gedroht, solange er im Amt sei, würde Yücel nicht freikommen. Aber er hat sehr oft etwas gesagt und am nächsten Tag das Gegenteil behauptet. Despoten wie Erdoğan geht es nicht um Gesichtswahrung. Sie sind charakterschwach und käuflich. Deutschland muss endlich klare Kante zeigen und alle deutschen Staatsbürger aus der türkischen Geiselhaft befreien. Man hat bald den Eindruck, Erdoğan habe seit dem Flüchtlingsabkommen die Bundesregierung in Geiselhaft genommen.“
Signale der Entspannung
Die Haftentlassung von insgesamt elf Menschenrechtlern könnte die angespannten Beziehungen Berlins zu Ankara verbessern, glaubt der Hürriyet-Kolumnist Deniz Zeyrek:
„Schon eine Entscheidung zur Haftentlassung finden die Deutschen 'ermutigend'. Währenddessen gibt es bezüglich den umstrittenen Prozessen über Menschenrechte und Pressefreiheit wichtige und positive Entwicklungen, seit am 19. Juli 2017 der Justizminister Bekir Bozdağ abgesetzt und Abdulhamit Gül das Amt übernahm. ... Auch der neue Staatssekretär des Justizministeriums Selahattin Menteş ist bekannt dafür, dass er mit Blick auf die Menschenrechte sensibel ist. Ich beobachte, dass die Haltung und kleinen Akzente der beiden bezüglich dieser Prozesse die jetzige Situation, die die negative Wahrnehmung der Türkei im Westen und die Distanz zwischen der Türkei und Europa wachsen lässt, verändern könnten.“