Mischt sich Berlin in Polens Innenpolitik ein?
Eine Äußerung der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in einer TV-Talkshow verärgert Polens Regierung. Die Aussage, man solle in Polen den "gesunden demokratischen Widerstand" unterstützen, wies Außenminister Witold Waszczykowski als "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" zurück. Kommentatoren kritisieren, dass sich Warschau künstlich ein Feindbild schafft. Andere sehen Berlin in der Verantwortung, die Beziehungen zu kitten.
Der Stärkere steht in der Pflicht
Die deutsch-polnischen Beziehungen müssen auch mittel- und langfristig stabil bleiben, ermahnt Jerzy Haszczyński, ehemaliger Berlin-Korrespondent bei Rzeczpospolita:
„Der Wirbel um die Äußerungen der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verheißt nichts Gutes für die Beziehungen der beiden Länder. ... Wie geht es weiter, was wird in drei Jahren sein? Schließlich kann die PiS dann noch immer an der Macht sein. ... Und was passiert in zehn Jahren, wenn - nehmen wir an - der deutsche Nationalismus wegen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der großen Einwanderung explosionsartig zunimmt? Sich Gedanken über die gemeinsame Zukunft zu machen, ist Aufgabe beider Seiten. Auf Deutschland lastet dabei aber die größere Verantwortung - aufgrund seiner Geschichte und wegen seiner heutigen Stärke.“
PiS missbraucht Deutschland als Feindbild
Versöhnliche Signale aus Deutschland passen der polnischen Regierung gar nicht in den Kram, glaubt Bartosz Wieliński in Gazeta Wyborcza. Eine Berliner Bürgerinitiative für ein Mahnmal für polnische Opfer des Nationalsozialismus wolle man daher gar nicht zur Kenntnis nehmen:
„Ich schaue mir das Internetportal des [staatlichen Senders] TVP Info an, des Haupt-Propagandasprachrohrs der PiS. Auf die erste Information, die Deutschland betrifft, stoße ich am Ende der Seite. Ein weiterer Kommentar des Außenministers Witold Wasczykowski über die Äußerung der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. ... Wird auch über das Denkmal für die ermordeten Polen berichtet? Der Minister und das Fernsehen schweigen. ... Schweigen sagt in Polen sehr viel aus. Die derzeitige Regierung braucht Deutschland als äußeren Feind für ihre Propaganda, um in den Umfragen gut dazustehen.“
Rote Linie überschritten
Als völlig inakzeptabel geißelt das regierungsnahe Internetportal wPolityce.pl die Äußerungen der deutschen Verteidigungsministerin:
„Die Aufforderung, Deutschland solle gegen die demokratisch gewählte Regierung Polens den 'Widerstand unterstützen' überschreitet bei Weitem alle Standards und vor allem die Sitten, die zwischen befreundeten Staaten gelten, die gegenseitig ihre Souveränität anerkennen. ... Das war der schärfste Ton, den westliche Politiker bis jetzt gegen unser Land verwendet haben. Ich weiß nicht, ob Mitglieder der deutschen Regierung überhaupt schon einmal einen vergleichbaren Ton gegenüber anderen angeschlagen haben. ... Die Verteidigungsministerin hat die polnisch-deutschen Beziehungen stark gefährdet.“
Von der Leyen ist auf Polens Seite
Wer die Äußerung der deutschen Verteidigungsministerin im Zusammenhang sieht, versteht, wie sehr sich von der Leyen für Polen und Osteuropa einsetzt, meint der ehemalige Deutschland-Korrespondent und aktuelle Ausland-Ressortchef der Gazeta Wyborcza, Bartosz T. Wieliński:
„Von der Leyen hat in einer eineinhalbminütigen Äußerung die polnische Haltung zu den Reformen der EU wiederholt: keine Entscheidung, die uns betrifft, ohne uns. Sie hat Polen und die ganze Region gegen westliche Besserwisserei verteidigt, gegen diejenigen, die den Osten am liebsten weiterhin wie die armen Verwandten behandeln würden. Für diese Worte gebührt ihr Dank. Wenn [Außenminister] Witold Waszczykowski dann in einem einzelnen Satz Beweise für ein 'deutsches Konzept zur Unterstützung der Opposition' gefunden haben will, lässt das eher ihn schlecht aussehen.“