Bitteres WM-Aus für Italien
Der viermalige Weltmeister Italien hat erstmals seit 1958 die Qualifikation zur Fußball-WM verpasst, die im kommenden Jahr in Russland stattfindet. Die desaströse Leistung der Azzurri spiegelt den Zustand des Landes wider, finden Kommentatoren und fordern nicht nur für den Fußball einen Neustart.
Ein Spiegel der politischen Tristezza
Für den Italien-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung Oliver Meiler spiegelt die Niederlage den Zustand des Landes:
„Die Ernüchterung über das Aus ... passt zur Tristezza, die auf dem Land liegt, zu dieser desillusionierten und selbstkritischen Sicht der Italiener auf sich selbst. ... Die italienische Wirtschaft wächst zwar endlich wieder, ... doch sie wächst insgesamt weniger stark und schnell als in allen anderen Ländern Europas. ... Das drückt auf die Stimmung, zehrt an der Hoffnung, zerrt am Gefüge des Landes. ... Man ist kein Team mehr, vielleicht war man es noch nie. ... Niemand moderiert, niemand motiviert. Die Politiker beschäftigen sich vor allem mit sich selbst. ... Im kommenden Frühjahr wählt das Land ein neues Parlament. Und wenn nicht alles täuscht, wird dabei herauskommen, dass die Italiener nicht mehr wissen, wem sie die Macht anvertrauen möchten, welchen Coach sie sich wünschen.“
Politik sollte sich Fußball zum Vorbild nehmen
Neben Kapitän Gianluigi Buffon scheiden nun auch die anderen verbliebenen Weltmeister von 2006, Andrea Barzagli und Daniele De Rossi, aus dem Team. Die italienische Politik macht es den Fußballern leider nicht nach, bedauert die Basler Zeitung - sonst würde auch im Parlament und den Parteien ein Generationswechsel stattfinden:
„Dort gelten andere Regeln. Nach der verlorenen Abstimmung über die Verfassungsreform vor knapp einem Jahr kündigte der damalige Ministerpräsident Matteo Renzi seinen Rücktritt an. Er wolle sich aus der Politik zurückziehen. Ein paar Wochen lang liess er sich mit seiner Familie beim Einkaufen fotografieren und startete dann seinen Wahlkampf für die kommenden Parlamentswahlen. Silvio Berlusconi, auch er einst Ministerpräsident, wurde verurteilt und galt politisch als erledigt. Nun könnte er im nächsten Jahr die Wahlen gewinnen. Das Wursteln in Italien geht weiter.“
Coach und Präsident müssen den Hut nehmen
Trotz Italiens WM-Aus denkt Trainer Gian Piero Ventura nicht an einen Rücktritt. Doch daran führt kein Weg vorbei, erklärt der ehemalige Fußballspieler und Trainer, Marco Tardelli in La Stampa:
„Ventura sollte zugeben, dass er gescheitert ist. Er hat sein Mandat verfehlt, die Nationalmannschaft nach Moskau zu führen. Er muss in Würde gehen - denn nur die kann er noch retten - , ohne Entschuldigungen oder Kompromisse zu suchen. Der Rücktritt ist für ihn der einzige Ausweg. Je eher, umso besser. Doch er ist nicht der einzige, der gehen sollte. [Verbandschef] Carlo Tavecchio hat den italienischen Fußballverband ohne Stil, ohne Herz gelenkt. Anstatt eine strategische Perspektive zu bieten, leistete er sich einen Ausrutscher nach dem anderen.“