Brexit treibt Tony Blair um
Großbritanniens Ex-Premier Tony Blair hat in einem Meinungsbeitrag vor weiteren EU-Austritten gewarnt und zudem gefordert, ein erneutes Referendum über den EU-Verbleib Großbritanniens in Erwägung zu ziehen. Einige Kommentatoren ärgern sich, dass der frühere Regierungschef den Brexit nicht hinnehmen will. Andere raten der Labour-Partei, die Einlassungen Blairs genau zu lesen.
Ex-Premier hat nichts verstanden
Blair kann einfach nicht akzeptieren, dass sich die Briten gegen die Vorherrschaft der EU und gegen den Blairismus entschieden haben, urteilt der Autor David Green in seinem Blog bei The Spectator:
„Das Referendum von 2016 signalisierte nicht nur das Ende der Vorherrschaft der EU-Oligarchen, sondern versetzte auch der Kultur der propagandistischen Meinungsmache einen Schlag, auf die sich Blair spezialisiert hat. Die Strategie der EU-Herrscher war es, immer weiter auf ihrer Position zu beharren, bis sie diese durchgesetzt haben. Wenn Referenden gegen sie ausfallen, dann lassen sie die Leute nochmals wählen. Blair versucht, diese Tradition weiter fortzuführen. Aber wir wussten alle sehr genau, was wir 2016 taten. Die Verhandlungen mögen ein vorteilhaftes Ende nehmen oder nicht, aber sie haben keinen Einfluss auf die Entscheidung, die EU zu verlassen.“
Labour sollte Blairs Weg einschlagen
Die Labour-Partei sollte Blairs Vorschlägen Gehör schenken, findet The Guardian:
„Seine Argumente sind ein Weckruf zum neuen politischen Jahr. Blair sagt, dass im Jahr 2018 die wichtigsten Entscheidungen getroffen werden müssen. Dabei geht es um die grundsätzlichen Austrittsbedingungen, den weichen oder harten Brexit und um ein Referendum über das abschließende Verhandlungsergebnis. ... Großbritannien steht zu Beginn des Jahres 2018 vor mehreren innenpolitischen Krisen, die alle durch den Brexit verschlimmert werden. Die Machtübernahme durch Labour ist zwar wahrscheinlicher geworden, gleichzeitig ist die Partei noch immer davon entfernt. Die Chancen der Partei werden stark davon abhängen, wie sie sich zwischen heute und einer möglicherweise weit entfernten Wahl verhält und ob sie diejenigen überzeugen kann, die sie im Juni 2017 nicht überzeugen konnte.“
Brexit muss dringend gestoppt werden
Sollte der Brexit nicht gestoppt werden, stehen Großbritannien und die EU vor einer jahrelangen Hängepartie, fürchtet der Ökonom Anatole Kaletsky in Jornal de Negócios:
„Was wird am Ende der von den Briten vorgeschlagenen Übergangsfrist (April 2021) passieren? Die einzig plausible Antwort ist eine weitere Übergangsfrist, und sei es nur, um einen wirtschaftlich verheerenden Bruch der Handelsregeln kurz vor der britischen Wahl 2022 zu vermeiden. ... Wenn ein harter Brexit für britische Unternehmen und das Parlament wirtschaftlich inakzeptabel ist, wäre ein weicher Brexit für EU-Politiker politisch inakzeptabel. ... Also bleibt nur eine Alternative übrig: kein Brexit. Es ist immer noch möglich, den Brexit zu stoppen, indem die britische Austrittserklärung nach Artikel 50 des EU-Vertrags widerrufen wird.“