Für Zeman wird es in der Stichwahl eng
Vor der Stichwahl um die tschechische Präsidentschaft liegt Herausforderer Jiří Drahoš in den Umfragen knapp vor Amtsinhaber Miloš Zeman. In die Defensive geraten, stimmte Zeman dann doch zwei TV-Duellen vor der zweiten Wahlrunde zu - die Journalisten aber von keinem der beiden Kandidaten überzeugen konnten.
Tragikomische TV-Debatte
Absolut enttäuschend und überhaupt keine Hilfe bei der Wahlentscheidung war das Fernsehduell für Hospodářské noviny:
„Mein Gott! Was musste das Land hier erleben beim ersten Aufeinandertreffen der Kandidaten für die Prager Burg? Statt einer ernsthaften Debatte über konkrete Visionen eher einen Streit auf Kneipenniveau mit kreischenden Zuschauern. ... Bei einer solchen Diskussion, das weiß man seit Richard Nixon und John F. Kennedy, geht es um jedes Detail. Das betrifft auch die Organisation durch den jeweiligen Sender. Bei uns war das maximal eine tragikomische Improvisation, die da aufgeführt wurde. Schade. In dieser Wahl geht es um so viel. Die TV-Debatte hielt dem nicht stand.“
Seriös war dieser Auftritt nicht
Auch Lidové noviny reagiert entsetzt auf die erste von zwei geplanten TV-Duellen vor der Stichwahl:
„So gibt es am Ende gleich zwei schlechte Nachrichten. Erstens: In diesem Land kann man offenkundig bei der Direktwahl des Präsidenten keine seriöse Diskussion über grundsätzliche Dinge erwarten. Und zweitens: Die Wähler haben einen politisch unerfahrenen Professor und Amateur (den Herausforderer Jiří Drahoš) ins Finale geschickt, sowie einen professionellen Matador (Amtsinhaber Miloš Zeman), der den Zenit seiner Leistungsfähigkeit längst überschritten hat.“
In der Panik greift er zur Lüge
Der Chefredakteur von Denik, Roman Gallo, kritisiert Zemans Stil scharf:
„Es ist verständlich, dass auf der Prager Burg nach der ersten Wahlrunde große Nervosität herrscht. Zeman hat zwar gewonnen, aber das Ergebnis zu wiederholen, wird nicht leicht. Dennoch begeht Zemans Team ein böses Foul, wenn es jetzt gegen Drahoš die Schreckenskarte zieht. Zeman weiß, dass [die Behauptung] unwahr ist, er kennt Drahoš' ablehnende Haltung zu den Quoten. Womöglich wird Zeman wieder Präsident. Man gewinnt aber nicht um jeden Preis.“
Präsident profitiert von lang gehegten Ängsten
Und Dennik N erinnert seine Leser daran, dass Zeman schon vor fünf Jahren mit Hilfe von Unwahrheiten ins Amt gekommen sei:
„Um gegen seinen Widersacher Karel Schwarzenberg zu gewinnen, hat sich Zeman damals der Paranoia gegenüber den Sudetendeutschen bedient. Erfunden hat er sie nicht. Sie war unter den Kommunisten offizielle Ideologie und wurde auch nach 1989 lange von den politischen Eliten und Medien gepflegt. Heute nutzt Zeman die paranoide Angst der Tschechen vor den Migranten, die ebenfalls von Eliten und Medien geschürt wird. Auch von denen, die jetzt Zemans Gegenkandidaten Drahoš unterstützen. Die dürfen sich also nicht beschweren, wenn Zeman auf diese Art gewinnen sollte.“
Zeman ratlos, Drahoš zuversichtlich
Zemans Ergebnis ist mit 39 Prozent schlechter als erwartet, konstatiert Dennik N:
„Auf der Prager Burg muss ein Plan B her. Ein paar Tage vor der Wahl spekulierte man noch, Präsident Zeman könnte schon in der ersten Runde gewinnen. Jetzt aber bekam er nicht einmal 40 Prozent. Im Drahoš-Lager dagegen überwiegt die gute Laune. Der Kandidat glaubt an seine Chancen und lässt sich vom slowakischen Präsidenten Andrej Kiska inspirieren, der vor vier Jahren als Mann von außerhalb den klar favorisierten und erfahrenen Premier Robert Fico bezwang. Drahoš hat im Gegensatz zu Zeman die Position bestätigt, die ihm die Umfragen zubilligten. Schon im Januar hatte eine Umfrageagentur prognostiziert, bei einer Stichwahl zwischen Zeman und Drahoš werde Zemans Konkurrent siegen.“
TV-Duell könnte die Entscheidung bringen
Zeman, der in der ersten Runde jeder direkten Konfrontation mit seinen Widersachern ausgewichen war, hat sich jetzt zu einem TV-Duell mit seinem Herausforderer Drahoš bereit erklärt. Das könnte für die Stichwahl den Ausschlag geben, meint Respekt:
„Drahoš wird es [im TV-Duell] schwer haben, er hat derlei noch nie in seinem Leben absolviert. Das erfordert eine perfekte Vorbereitung durch sein Team. Zeman weiß genau um die Schwächen von Drahoš, etwa um seine Unterschrift unter eine Petition von Wissenschaftlern für die Aufnahme von Flüchtlingen. ... Doch auch Zeman hat seine Schwächen. Seine schlechte Gesundheit etwa, sein Alkoholkonsum, seine Ehrung von Stasi-Leuten und anderen Günstlingen der sozialistischen Ära. Ein geschickter Diskutant könnte das alles für sich nutzen.“
Handlanger von Moskau und Peking
Sollte Zeman die Stichwahl gewinnen, behalten China und Russland ihren Einfluss auf das EU-Mitglied Tschechien, ist sich Forum.tm sicher:
„Wenn die Medien der Welt über Zeman schreiben, verwenden sie meist die Attribute antimuslimisch, prorussisch und prochinesisch. Er hat sich als einziger Präsident eines EU-Mitgliedsstaats nach der russischen Annexion der Krim gegen die Russland-Sanktionen gestellt und riet der Ukraine vor dem Europarat, sie solle von Russland im Austausch Geld oder Gas und Erdöl verlangen. Er ist als einziger westlicher Staatschef zur Militärparade nach Peking gereist. Während seines China-Besuchs sagte er, Tschechien könne von China lernen, wie man einen Staat stabilisiert.“