Schlappe für Fidesz, Hoffnung für die Opposition?
In der südostungarischen Kleinstadt Hódmezővásárhely hat eine Allianz aller nennenswerten Oppositionsparteien überraschend deutlich die Bürgermeister-Nachwahl gewonnen. Sie reichte von der linken MSZP über die Öko-Partei LMP bis hin zur rechtsradikalen Jobbik. Sechs Wochen vor der Parlamentswahl am 8. April fragen sich Beobachter nun, was die Lektion dieser kleinen Sensation ist.
Ungarn halten ihre Wahlpräferenz geheim
Nach dem unerwarteten Wahlsieg in Hódmezövásárhely darf die ungarische Opposition wieder Hoffnung schöpfen, glaubt Die Presse:
„Das Wahlergebnis, welches von keinem Meinungsforschungsinstitut vorhergesagt wurde, macht deutlich, dass es in Ungarn ein starkes 'hidden vote' gibt - die Wähler ihre Wahlpräferenzen also nicht preisgeben. Zwar liegt der Fidesz in allen Umfragen haushoch in Führung, jedoch könnten die zahlreichen Korruptionsskandale in der Partei ... die autoritären Tendenzen der Regierung und die rund um die Uhr laufende, aus Steuergeldern finanzierte Schmutzkübelkampagne gegen Migranten und Flüchtlinge dazu geführt haben, dass viele Ungarn ihre Meinung lieber für sich behalten und den Kandidaten mit der größten Siegeschance - unabhängig von der politischen Couleur - gegen den des Fidesz unterstützen.“
Wähler-Erwachen bringt Fidesz in Bedrängnis
Ungarns Regierungspartei wird nun alles tun, um die Wahlbeteiligung am 8. April niedrig zu halten, analysiert Publizist Péter Magyari auf dem Nachrichtenportal 444.hu:
„Was in Hódmezővásárhely den Ausschlag für die Niederlage des Fidesz gegeben hat, war der Umstand, dass im Vergleich zur Bürgermeisterwahl 2014 diesmal rund 9.200 Wähler mehr zu den Urnen gingen. ... Und etwa 7.900 der 9.200 neuen Wähler votierten für den Oppositionskandidaten. ... Die Stimmung, die in Hódmezővásárhely herrschte, ist mit Blick auf den 8. April das gefährlichste Szenario für den Fidesz. Je mehr Wähler nämlich abstimmen gehen, desto stärker schrumpfen die Siegeschancen der Regierungspartei. Deshalb wird der Fidesz voraussichtlich alles unternehmen, um die Wahlbereitschaft im Land zu dämpfen.“
Erste Risse in Orbáns Machtfundament
Die Süddeutsche Zeitung glaubt, dass diese Fidesz-Niederlage eine doppelte Botschaft enthält:
„Für die Opposition, dass Einigkeit stark macht. Denn in Hódmezővásárhely haben sich alle Kräfte von links bis weit rechts hinter dem siegreichen Kandidaten versammelt. … Und für die Regierung, dass die Bevölkerung sich nicht mehr allein mit Hass- und Angstkampagnen gegen Flüchtlinge, George Soros oder die EU vom Machtmissbrauch ablenken lässt. Noch sichert Orbán seine Herrschaft mit vielfältigen Manipulationen ab. … Aber es gibt noch immer genügend wache Kräfte im Land, die sich diesem Orbánschen System entziehen. Das ist ein Hoffnungszeichen für Ungarn, und ebenso eines für Europa.“
Nicht zu früh freuen
Polityka hingegen meint, dass man die Bedeutung der Wahl in Hódmezővásárhely nicht überschätzen sollte:
„Man kann sich nur schwer vorstellen, dass Orbán die Wahl im April verliert. … Bei Fidesz wird man sich sicher Gedanken über die Ursachen der Niederlage in Hódmezővásárhely machen, aber es ist klar, dass das nicht der Anfang vom Ende für die regierenden Konservativen ist. Selbst wenn ein Wunder geschehen würde, und die Opposition die Wahl gewinnen würde, kann man sich nur schwer eine 'Regierung der nationalen Einheit' vorstellen, die sich aus extrem unterschiedlichen Parteien zusammensetzt. Das würde sicher zu einer vorzeitigen Neuwahl führen.“
Wahlbetrug? Hier ist der klare Gegenbeweis
Dieser Urnengang hat Kritiker Lügen gestraft, die der Regierung immer wieder unterstellen, Wahlbetrug zu begehen, meint Publizist Kristóf Trombitás auf dem Meinungsportal Mandiner:
„Die Opposition konnte in einer Fidesz-Hochburg siegen, und noch dazu mit großem Vorsprung. ... Sollte jemand auch nur einen Gedanken darauf verschwendet haben, dass es beim Urnengang in Hódmezővásárhely nicht mit rechten Dingen zugehen würde, dann möchte ich darauf hinweisen, dass kurz vor der Parlamentswahl gerade in dieser strategisch so wichtigen Stadt die Wahl manipuliert worden wäre. Offensichtlich und selbstredend ist nichts dergleichen passiert. Für den Fall, dass künftig irgendwelche erlauchten Analysten das Thema Wahlbetrug aufs Tapet bringen sollten, empfehle ich, sie lauthals auszulachen.“