Ukrainische Nationalheldin Sawtschenko in Haft
Die ukrainische Abgeordnete Nadija Sawtschenko, die vielen Landsleuten seit ihrer russischen Kriegsgefangenschaft 2014 als Nationalheldin gilt, ist festgenommen worden. Es gebe "unwiderlegbare Beweise", dass sie zusammen mit Separatisten einen Anschlag auf das Parlament und den Sturz der Regierung geplant habe, hieß es vonseiten der Generalstaatsanwaltschaft. Was bedeutet der Fall für die ukrainische Politik?
Hinter Gittern könnte sie noch populärer werden
Auf die Vorwürfe reagierte Sawtschenko mit Gegenvorwürfen an das Parlament und an die ukrainische Politik. Ukrajina Moloda sieht in ihr eine weiterhin wichtige Figur auf der politischen Bühne:
„Indem sie Nadija verhaftet hat, schafft sich die Staatsmacht eine ernsthafte politische Konkurrentin. Denn so ist unsere Mentalität: Wir hören gerne auf die, die hinter Gittern sitzen. Zumindest gewannen [der Generalstaatsanwalt] Jurij Luzenko und [die frühere Ministerpräsidentin] Julia Timoschenko durch ihre Haft an politischem Gewicht hinzu. Und angesichts der scharfen Zunge Sawtschenkos und ihres kämpferischen Charakters könnte man mit ihr in einem Jahr einen zusätzlichen Kandidaten für die Präsidentschaft bekommen.“
Alarmsignal für die Mächtigen des Landes
Der Vorfall verdeutlicht, wie viel in der ukrainischen Politik im Argen liegt, konstatiert Rzeczpospolita:
„Mit den Vorwürfen konfrontiert sagte Sawtschenko mit unglaublich böswilliger Freude: 'Ich habe nie so erschrockene Augen im Parlament gesehen. Nicht, wenn Polizisten gegen das Volk vorgingen. ... Nicht, wenn von Problemen an der Front berichtet wurde. ... Erstmals fühlten sich die Parlamentarier selbst bedroht. Es war schön, zu erfahren, dass die Mächtigen sich ihrer Sterblichkeit bewusst sind!'. Man kann dies schwerlich als irgendeine Form von Programm oder politischem Manifest ansehen, höchstens als Ausdruck unglaublichen Frustes mit der Lage des Landes. ... Dennoch hat dieser düstere Vorfall größere Bedeutung: Wenn sich sogar Helden wie Sawtschenko gegen die Landesführung wenden, zeigt das, wie tragisch die Lage der ukrainischen Innenpolitik ist. Den Mächtigen des Landes sollte dies als ein letzter Weckruf dienen.“
Paradoxer Rollenwechsel
Trotz großer russischer Vorbehalte gegen die Ukrainerin kann Politologe Alexander Wedrussow in Iswestija ihr auch etwas abgewinnen. Er schreibt in Iswestija:
„Für mich ist sie in erster Linie eine von einem russischen Gericht für eine schwere Straftat verurteilte Teilnehmerin der verbrecherischen Strafaktion im Donbass. Begnadigt, nicht freigesprochen (das sollte nicht vergessen werden). Doch mit Blick auf den sonstigen ukrainischen Politiksumpf, in den Sawtschenko eingeschlagen ist, wirkt sie in der Tat würdig - so paradox das auch sein mag. ... Ukrainische Experten witzeln jetzt schon darüber, dass man die Losung 'Freiheit für Sawtschenko' diesmal aus der Gegenrichtung, nämlich aus Moskau zu hören bekommt. Na, wohl eher nicht.“