Brüssel kritisiert britische Brexit-Pläne
Londons Austrittspläne stoßen bei der EU auf Kritik. Es gebe kaum Fortschritte bei den wichtigen Themen Binnenmarkt und Freizügigkeit, sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Damit äußerte sich Brüssel erstmals offiziell zu Mays Weißbuch, in dem der Brexit skizziert wird. London fallen zu lassen, kann sich die EU jedoch bei aller Skepsis nicht leisten, sind Kommentatoren überzeugt.
EU braucht die Briten mehr denn je
Die neue Haltung der USA gegenüber Europa muss Konsequenzen für die Brexit-Politik der EU haben, fordert der Kulturhistoriker Rene Cuperus in De Volkskrant:
„Großbritannien war immer ein wichtiges Scharnier im transatlantischen Bündnis. ... Aber die Situation hat sich total verändert. ... Der Brexit droht, die Briten geopolitisch zu isolieren. Das ist schlecht für Großbritannien, aber auch für uns Europäer. In einer zunehmend feindlichen Welt, in der Europa militärisch und wirtschaftlich immer stärker auf sich selbst angewiesen ist, können wir auf die Briten nicht verzichten. In einer Welt voller Staatschefs wie Xi, Trump und Putin ist der Brexit kein Hobby für EU-Vertragsjuristen, sondern es geht um das politische Überleben. Chefsache! Es wird höchste Zeit, dass die europäischen Regierungschefs zu einer geostrategischen Einigung mit dem Vereinigten Königreich kommen.“
Ohne May geht es erst recht nicht
Warum die Reaktion der EU noch relativ verhalten ausfiel, erklärt der Deutschlandfunk:
„Die Zurückhaltung der Europaminister der EU-27 erklärt sich aus dem Dilemma, in dem die EU steckt: Niemand hat ein Interesse daran, Theresa May zu schwächen. Mit ihrem Sturz würde ein ungeordneter Brexit in acht Monaten nur wahrscheinlicher. Und so ein Brexit-Chaos kann niemand wollen. Nicht hier auf dem Kontinent, und eigentlich auch niemand auf der Insel. Noch hat die EU die Hoffnung, in London während der kommenden, entscheidenden Wochen doch noch einen handlungsfähigen politischen Partner zu finden, nicht aufgegeben. Nach Lage der Dinge käme das aber einem Wunder gleich.“
Großbritannien ist eben doch nicht so wichtig
Londons Möglichkeiten, den EU-Austritt wirtschaftlich zu kompensieren, sind begrenzt, erklärt Evenimentul Zilei:
„Regierungschefin Theresa May hat versucht, verschiedene Varianten neuer Freihandelsabkommen auszuhandeln. ... Das ist misslungen: mit China, mit Indien und zuletzt mit den USA. Großbritannien muss sich eingestehen, dass es nur ein einfaches Zehntel des EU-Marktes ist, dass seine Verhandlungsstärke nicht mehr die des früheren globalen Imperiums ist, und dass die Reste seines Imperiums nicht mehr fortbestehen, um Unabhängigheit und künftige ausgleichende Wirtschaftskraft zu garantieren. Nicht einmal der Schatten des Imperiums wird helfen, eine erträumte Alternative zur EU-Mitgliedschaft und zum gemeinsamen Markt zu schaffen.“