Bündnis mit den USA: Steht Europa bald alleine da?
Trumps Absage an den Atomdeal mit dem Iran, Zwist innerhalb der EU wegen der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, Streit um Zölle und die Militärausgaben der europäischen Nato-Staaten: Für die transatlantischen Beziehungen folgt derzeit eine Belastungsprobe auf die nächste.
Europa in der Zwickmühle
Die europäischen Regierungen müssen sich gut überlegen, was ihnen wichtiger ist: die Beziehungen zu den USA oder der Erhalt des Atomdeals mit Teheran, analysiert Právo:
„Stellt sich Europa hinter den Iran, dann stellt es sich zugleich gegen seinen wichtigsten Verbündeten. Es ist aber kaum vorstellbar, dass die Großen unter den EU-Staaten den Forderungen Washingtons einfach so nachkommen werden. Großbritannien, Frankreich und Deutschland sind Mitunterzeichner des Atomvertrags. Erlauben sie, dass der Vertrag unter dem Druck der USA fällt, dann werden sie nie wieder jemanden davon überzeugen können, dass sie unabhängige Akteure sind, die ihre eigenen Interessen verteidigen können. Im Grunde geht es mehr und mehr um den Stand Europas in der Welt.“
Kein stabiles Fundament mehr
Trump bringt die europäischen Verbündeten der USA ernsthaft in Bedrängnis, analysiert Hürriyet Daily News:
„Die USA bewegen sich außenpolitisch in Richtung eines weiteren 'unilateralen Moments', der an die Ära George W. Bushs erinnert. Trumps Kritik an der Nato und seine ambivalente Haltung gegenüber den US-Garantien für Europa haben den Wert des transatlantischen Bündnisses bereits in Frage gestellt. Das Aus des Iran-Deals und das, was im Nahen Osten zweifellos darauf folgen würde - noch mehr Konflikte und noch mehr Leid -, wären ein echter Test für die transatlantischen Beziehungen. Die Tatsache, dass drei 'neue' Mitglieder eine einheitliche Haltung der EU gegenüber der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem verhindert haben, und eine ähnliche Spaltung innerhalb der Nato zeigen, wie sehr das westliche Bündnissystem ins Wanken geraten ist.“
Es gibt keine Alternative zur Nato
Trump drohte wiederholt mit einem Rückzug aus Europa, sollte dieses seinen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung nicht erhöhen. Doch ohne die USA ist die EU wehrlos, klagt Libération:
„Europa hat keine eigene Verteidigungspolitik. ... Frankreich und Großbritannien sind die einzigen Nationen, die über eine glaubwürdige Armee verfügen. London lehnt allerdings jegliche eigenständige europäische Verteidigungspolitik ab, weil es den amerikanischen Schoß um keinen Preis verlassen will, so unbequem dieser auch ist. Es gibt keine ernstzunehmende Alternative zum Nordatlantikvertrag - zumindest nicht innerhalb der kommenden Generation. Bislang hielt der Vertrag allen Belastungen stand. Unter Trump, dem Mann, der Abkommen zerreißt und sich nicht an Unterschriften hält, tut er das nicht mehr. Europa steht nun nackt da.“
Ohne USA und EU ist Osteuropa verloren
Ein zerrüttetes transatlantisches Verhältnis bekäme Mittel- und Osteuropa besonders stark zu spüren, fürchtet Politikexperte Valentin Naumescu auf Contributors:
„Die großen westlichen Mächte werden dann nicht mehr wirklich daran interessiert sein, dass in unserer Region die Dinge gut laufen. Sie könnte vom Radar der strategischen Interessen des Westens verschwinden und lediglich ein Standort für Militärbasen am Schwarzen Meer werden. … Doch ohne die USA wird unsere Region wieder unsicher, ohne Zugehörigkeit zur Kern-EU werden wir wieder zur armen, korrupten Peripherie, anfällig dafür, dass große nicht-westliche Mächte den Markt erobern könnten. … Achtung, die Russen kommen! Oder, um optimistisch zu sein: Wir haben noch eine Alternative zu 'Mutter Russland', dann kommen eben die Chinesen!“