Tory-Parteitag: Showdown zwischen Johnson und May
Auf dem Parteitag der britischen Konservativen wird ein Schlagabtausch zwischen Premierministerin May und Ex-Außenminister Johnson erwartet. Johnson, der Mays Brexit-Pläne zuletzt als lächerlich abgetan hatte, würde den EU-Austritt laut eigener Aussage um sechs Monate verschieben. Werden sich die Tories beim Thema Brexit noch einig?
Keine Chance für Reformer bei den Tories
Es ist das Führungspersonal der Tories, das die Partei lähmt, stellt Zeit Online fest:
„[D]ie Partei [wird] dominiert von einer Premierministerin, die mit dem Brexit überfordert ist und für ernsthafte Reformen keinen Gedanken frei hat. Von [Ex-Außenminister] Boris Johnson, der Churchill spielt, aber keine Antworten auf die Herausforderungen des Landes formuliert, und [May-Gegenspieler] Jacob Rees-Mogg, der 80 hartgesottene Brexit-Anhänger hinter sich weiß, aber bereits scheiterte, als er einen Brexit-Vorschlag präsentieren sollte, der eine harte Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland vermieden hätte. Von den Hardlinern werden all jene an die Seite gedrängt, die die Partei reformieren könnten.“
Johnson zieht bei der Parteibasis nicht mehr
Der größte parteiinterne Widersacher von Theresa May hat in den vergangenen Monaten viel von seiner Strahlkraft verloren, meint The Guardian:
„Boris Johnson wird [bei seiner heutigen Rede auf dem Parteitag] enorme mediale Aufmerksamkeit erhalten - nicht nur weil er eine Bedrohung für Theresa May darstellt, sondern vor allem auch, weil er ein Liebling der Medien ist. Aber man sollte sich davor hüten, Johnson so ernst zu nehmen, wie er das selbst tut. Sein Ehrgeiz, sein Privatleben und sein unbekümmerter journalistischer Stil schaden ihm zunehmend. Die Tories lieben ihn nicht mehr so wie früher. Regierungsmitglieder greifen ihn immer direkter an, wie zum Beispiel Schatzkanzler Philip Hammond bei seiner gestrigen Rede. Es gab schon vor Johnson viele Politiker, die das höchste politische Amt im Land anstrebten, doch bei keinem war die politische Vorgeschichte so wenig überzeugend.“
Großbritannien mit Brexit völlig überfordert
Nicht nur im Lager der Tories herrscht Unklarheit über den Brexit, stöhnt Pierre Haski in seiner Kolumne beim Radiosender France Inter:
„Shakespeare hätte ohne Zweifel nicht Theresa May und Boris Johnson als Hauptfiguren eines seiner Dramen gewählt. Aber er hätte sich sicherlich davon inspirieren lassen, was derzeit auf der anderen Seite des Ärmelkanals geschieht. Denn es geht um nichts Geringeres als die Zukunft des Vereinigten Königreichs. ... Sollte dieser wahrhaftige 'Krieg' zu keiner Lösung führen, werden die Wähler entscheiden müssen. ... Dies würde für die Tories einem politischen Selbstmord gleichkommen, da sie von Jeremy Corbyns Labour abgelöst werden könnten. ... Doch auch diese Partei hat keine klare Linie zum Brexit. Zwei Jahre nach dem Referendum weiß das Land noch immer nicht, was es mit dem Sieg des Ja zum Brexit anfangen soll.“
Heldin, Opfer oder beides
Der Parteitag wird die Weichen für Mays Zukunft stellen, beobachtet El Periódico de Catalunya:
„In Birmingham hat sich der Vorhang geöffnet für eine Vorstellung mit Theresa May als Hauptdarstellerin. Das Ende ist noch offen: Die Tory-Chefin kann zur Heldin oder zum Opfer werden. Oder zu beidem gleichzeitig. In jedem Fall wird der am Sonntag begonnene jährliche Parteitag der Konservativen über die Zukunft der Premierministerin entscheiden, die einer Regierung vorsteht, die mit großen Schwächen auf die Welt kam, viele Fehler begangen hat und fast ständig den Brexit als einzigen Punkt auf der Agenda hatte, sodass es wenig Spielraum gab, die eigentliche Pflicht einer jeden Regierung zu erfüllen: das Regieren.“
Am Ende stehen wohl alle zu May
Die taz glaubt nicht, dass Johnson Premierministerin May tatsächlich schon gefährlich werden könnte:
„Wahrscheinlich kommt der Parteitag dafür doch zu früh. Denn neue Machtkämpfe sind das Gegenteil von dem, was das Land braucht, um einen klaren Kurs zu finden. Nachdem seit dem Labour-Parteitag die Labour-Opposition in den Umfragen überraschend zurückfällt, auf die niedrigsten Werte seit den Wahlen 2017, könnte Geschlossenheit den Konservativen mehr nützen als Streit. Wahrscheinlich werden die Tory-Größen daher doch alle wie ein Mann um May stehen. Allerdings so eng, dass sie gar nicht mehr wissen wird, wo sie selbst steht.“