Europawahl 2019: Ist Weber der richtige Mann?
Die EVP hat den CSU-Politiker Manfred Weber zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gewählt. Er setzte sich gegen den Finnen Alexander Stubb durch und hat damit gute Chancen, der nächste Kommissionspräsident zu werden. Kommentatoren bewerten die Kür höchst unterschiedlich: Die einen erklären Weber zur Speerspitze gegen die Populisten, die anderen fürchten, dass seine Wahl Europa zum Verhängnis wird.
Die Chance gegen Populisten
Nur Politiker wie Weber können Europa retten, kommentiert Rzeczpospolita:
„Die Strategie der EVP ist von entscheidender Bedeutung, denn sie ist die letzte der großen Fraktionen im Europaparlament, die bei den Wahlen im Mai nächsten Jahres die Idee der Europäischen Integration gegen Euroskeptiker und Populisten verteidigen kann. Die angestrebte Allianz der Liberalen mit der Bewegung Emmanuel Macrons wackelt und in ganz Europa sieht es schlecht aus für die Sozialisten. Die Gegner von Orbán und Kaczyński mit ihrem Isolationskurs sind die konservativen Politiker der jungen Generation.“
Abkehr von Merkels Erbe
Warum die europäischen Christdemokraten künftig einen deutlich rechteren Kurs fahren werden, erklärt der EU-Korrespondent des NRC Handelsblad, René Moerland:
„Genau wie Merkel will Weber ein europäischer Brückenbauer sein, wie er sagt. Doch er ist konservativer als sie. Er spricht weniger über die Europäische Union als Friedensbringer, sondern will Europa vor allem näher zu den Menschen bringen. ... Über die Europäische Union als Antwort auf die Kriegsvergangenheit Europas wird man Weber kaum reden hören. Die neue Generation sucht eine Mitte-Rechts-Antwort auf das Aufkommen der nationalistischen Parteien. Sie will insbesondere mit dem Erbe von Merkel und ihrem 'Wir schaffen das' in der Flüchtlingskrise 2015 abrechnen.“
Das könnte der letzte Kommissionspräsident sein
Wenig erbaut von der Wahl Webers ist Dennik N:
„Weber ist ein Symbol der Heuchelei innerhalb der EVP gegenüber Viktor Orbán. Mitunter kritisiert er den Ungarn und warnt, dass Populisten und Extremisten die EU von innen bedrohen. Diese Woche aber bekräftigte er, dass Fidesz weiter Teil der EVP bleibe. Im Grunde werden damit andere Populisten unterstützt, etwa die extremistischen Regierungen in Polen und in Italien. Weber ist ein Symbol dieser Unfähigkeit und Feigheit. Seine womögliche Wahl an die Spitze der EU-Kommission könnte dazu führen, dass er der letzte Mensch auf diesem Posten wird. Wenn es keine Union mehr gibt, wird auch keine EU-Kommission mehr gebraucht.“
Wohltuende Nüchternheit
Anders als Möchtegern-Revolutionäre vom rechten und linken Rand, die die EU-Wahl zur Schicksalswahl verklären, bleiben EVP und Sozialdemokraten auf dem Boden der Tatsachen, freut sich die Wiener Zeitung:
„Angesichts dieser Vielzahl an Fantasieprojekten ist es ganz beruhigend, wenn zumindest die bedrohte politische Mitte dabei ist, sich seriös für die EU-Wahlen aufzustellen. Mit dem Bayern Manfred Weber und dem Niederländer Frans Timmermans haben EVP und Sozialdemokratie ihre Spitzenkandidaten nominiert. Es ist zu hoffen, dass der Chef der EVP-Fraktion im EU-Parlament und der Vizepräsident der EU-Kommission die kommende Auseinandersetzung mit der nötigen Härte, dafür mit etwas weniger aufgesetztem Pathos führen. Die Gefahr ist allerdings real, dass die Lust am Untergang mittlerweile zum Fixbestandteil aller Politik geworden ist.“