Russlands Bürger helfen Zeitung aus der Patsche
Ein russisches Gericht hat die oppositionelle Internetzeitung The New Times Ende Oktober zu einer Geldstrafe von 22,25 Millionen Rubel (300.000 Euro) verurteilt, weil sie angeblich einen Finanzbericht zu spät eingereicht hat. Die für das kleine Medium zu hohe Summe kam nun innerhalb von vier Tagen durch Spenden zusammen. Grund zur Freude für Kommentatoren aus Russland und einem Nachbarland.
Die Opposition lebt
Im Interview mit Echo Moskwy sieht Jewgenija Albaz, die Chefredakteurin von The New Times, den Oppositionsgeist in Russland ungebrochen:
„Ihr habt uns zu früh abgeschrieben. Ihr habt über uns schon ein Kreuz geschlagen und die demokratisch gesinnten Menschen in Russland als Loser abgestempelt, die nichts können und alles verzockt haben. Doch das ist nicht wahr. Diese Kampagne, an der sich eine riesige Zahl von Leuten aus dem ganzen Land mit ganz verschiedenen Ansichten, Nationalitäten, Religionszugehörigkeiten und Einkommensverhältnissen beteiligt hat, zeigt: Die demokratische Bewegung in Russland lebt. ... Und die Protestwelle, die 2011 und 2012 in Moskau und St. Petersburg begann und sehr hart niedergeschlagen wurde, ist in Wirklichkeit noch da.“
Der Schuss ging nach hinten los
Lietuvos žinios sieht die Aktion ebenfalls als positives Zeichen:
„Die Kommentatoren in Russland sind sich einig: Anstatt das kritische Medium zu ersticken, erreichte der Kreml den entgegengesetzten Effekt - die kritisch denkenden Bürger wurden mobilisiert. Die blitzschnelle Reaktion zeigt, dass die Zivilgesellschaft nicht vernichtet ist, sondern auf der Lauer liegt. Der Erfolg der Fundraising-Aktion stärkt die Zivilgesellschaft, weil die Menschen das Gefühl haben, etwas bewirken zu können. Und das Regime beschleunigt die Entwicklung noch. Loyalität zählt im Regierungsapparat mittlerweile mehr als Kompetenz, es werden grobe Fehler gemacht (etwa die Erhöhung des Rentenalters). Die Soziologen stellen fest, dass der Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit wächst. Immer öfter erkennen die einfachen Russen, dass das Bruttoinlandsprodukt nicht gerecht verteilt wird.“