Stirbt mit George Bush ein Stück US-Geschichte?
Im Alter von 94 Jahren ist der frühere US-Präsident George H. W. Bush gestorben. Als 41. Präsident der Vereinigten Staaten folgte er im Wendejahr 1989 auf Ronald Reagan und prägte die Politik des Westens in einer Zeit der Umbrüche. Einige Kommentatoren würdigen sein politisches Handeln in dieser Epoche als verdienstvoll, andere zählen auf, welche Fehler er begangen hat.
Letzter gemäßigter Konservativer
Bush war der letzte republikanische Präsident, der die USA noch vereinte, merkt Kolumnist Gerardo Morina in Corriere del Ticino an:
„Mit dem Tod von George Bush, Sohn seiner Zeit, wird es dem heutigen Amerika zusehends schwerer fallen, sich daran zu erinnern, dass es in seiner jüngsten Geschichte eine epische Phase des gemäßigten Konservatismus durchlebt hat. Eine Phase, in der Politiker - ob rechts oder links - letztendlich die gleichen Werte teilten. Sie waren verbunden durch eine gemeinsame Ethik und einen Dekalog von Ansichten, die den gegenseitigen Hass ausschlossen. Denn nach Bush Senior, beginnend mit der Ära seines Sohnes George W., der für seinen neokonservativen, muskelgetriebenen Idealismus bekannt war, begann die Wende, die im Laufe der Jahre zu einer extremen Radikalisierung der Republikanischen Partei führen sollte. Trump ist gewissermaßen eine Folge davon.“
Der richtige Mann zur richtigen Zeit
An Bushs Verdienste zur Wendezeit erinnert Hospodářské noviny:
„Im Vergleich zu seinem emotionalen Vorgänger Ronald Reagan war Bush ein sachlicher Typ. Als im November 1989 die Mauer fiel, deren Ende Reagan von Gorbatschow verlangt hatte, wusste er, wie zerbrechlich die Welt war. In Osten hätte die Sowjetunion explodieren können, vollgepackt mit Atomwaffen. Im Westen bekamen Frankreich und England kalte Füße vor einem wiedervereinigten Deutschland. Bush feierte nicht, er arbeitete, verhandelte, suchte Kompromisse. Etwa, als er Moskau massive Wirtschaftshilfe anbot und Helmut Kohl überzeugte, den Abzug der russischen Truppen aus der DDR zu bezahlen. Und er blieb standhaft, wo er die Notwendigkeit dafür spürte. Als er zum Beispiel Gorbatschows Forderung zurückwies, das neue Deutschland dürfe nicht in der Nato sein.“
In der Kuweit-Krise versagt
Kritischer zeigt sich Milliyet und erklärt, dass ihm der zweite Golfkrieg zum Verhängnis wurde:
„Obwohl der Irak-Kuweit-Konflikt [1990] klar diplomatisch hätte gelöst werden können, ruinierte der von Bush eingesetzte Botschafter alles. Als es 50 verschiedene Wege gab, um die irakischen Besatzung Kuwaits zu beenden, entschied Bush sich für Krieg. ... Auch wenn dieser Angriff, um Kuwait von der irakische Besetzung zu befreien, nur kurz dauerte, zerstörte Bush damit das Gleichgewicht der US-Wirtschaft so sehr, dass er sein Versprechen brechen musste, keine neuen Steuern einzuführen. Die USA traten in eine Periode der größten wirtschaftlichen Stagnation ihrer Geschichte ein. ... Papa Bush war vielleicht nicht so sehr Gegenstand von Hass und Spott wie sein Sohn. ... Doch die Amerikaner wollten ihn nicht vier weitere Jahre ertragen.“