May will Brexit-Deal retten
Großbritanniens Premierministerin May will das Brexit-Abkommen bis zum 21. Januar dem britischen Unterhaus zur Abstimmung vorlegen. Bis dahin will sie der EU Zugeständnisse abringen, was bei Spitzentreffen in Den Haag, Berlin und Brüssel allerdings nicht gelang. May muss sich zudem einem Misstrauensvotum im Parlament stellen. Wie kann eine Einigung noch erreicht werden?
Blitzbesuche bringen nichts
Theresa Mays Versuch, konkrete Zugeständnisse für Brexit-Nachverhandlungen zu erreichen, ist zum Scheitern verurteilt, glaubt Pravda:
„May kann das Handtuch werfen. Sie hat kaum eine Chance, auf dem Kontinent eine grundlegende Änderung des Papiers zu erreichen, mit dem sie ursprünglich schon vor ihr Parlament treten wollte. Das ist nur zu verständlich. Statt einen neuen Konsens mit 27 zu finden, ist es einfacher, wenn die Vertreter nur eines Landes den Konsens hinbringen - Großbritanniens selbst. Zudem stellt der Vertrag aus Sicht der Europäer das Beste - oder das kleinste Übel - dar. Denn niemand in Europa hat Freude am Brexit.“
EU sollte die Briten nicht demütigen
Nach der Verschiebung der Brexit-Abstimmung durch Premier May fordert Kristeligt Dagblad die Europäer auf, mit Bedacht zu handeln:
„Die EU-Kommission und die Mitgliedsländer können jetzt wählen, ob sie die Briten demütigen oder Großmut zeigen wollen. ... Etwas muss passieren und es ist einleuchtend, dass die EU den Schlüssel für weitere Verhandlungen in den Händen hält. Es ist klassische Staatsräson, dass das geschehen muss. ... Es muss der Wille des Volkes sein, der die Union zusammenhält. Nicht die Furcht, die daraus folgt, dass Ruin und Demütigung folgen, wenn man sie verlässt. Leider ist es das, was die EU gerade exerziert: Sie macht den Mitgliedsländer gerade sehr deutlich, dass ein Austritt richtig wehtut.“
Europa ist unser Schicksal
Eine Lehre sollten potenzielle Nachahmer des britischen EU-Austritts aus den vergangenen Tagen ziehen, findet Kolumnist Aldo Cazzullo in Corriere della Sera:
„Die dramatischen Ereignisse der letzten Tage bestätigen, dass Europa unverzichtbar ist. Wir können und müssen es ändern, reformieren und neu begründen, aber Europa ist mehr denn je unser Schicksal. Sogar für die Briten, die es nicht verlassen können und nie ganz verlassen werden. … An dieser Stelle kann alles passieren. Ein neuer Deal. Oder sogar ein neues Referendum. Aber eines ist klar: Selbst wenn es kein Zurück mehr gibt, ist eine Verbindung zu Europa, in welcher Gestalt auch immer, unabdingbar. Und das sollte auch die Anti-Europäer in Italien zum Nachdenken anregen.“
Ein bisschen mehr Zeit könnte man den Briten geben
Wie Europa reagieren sollte, beschreibt Berlingske:
„Die EU hat ein großes Interesse an einem engen Verhältnis zu Großbritannien, hat dabei aber nur begrenzt Spielraum für Zugeständnisse. ... Zunächst einmal müssen die EU und alle Mitgliedsländer sich auf einen sogenannten harten Brexit vorbereiten. Wir müssen bereit sein, die schlimmsten Konsequenzen eines britischen Austretens aus der EU ohne ein Scheidungsabkommen abzufedern. Danach könnte man den Briten ein bisschen mehr Zeit geben, ihre Wünsche für eine Zukunft außerhalb der EU zu formulieren. Das wäre möglich, wenn May oder ein anderer britischer Premier um ein paar Monate mehr bis zum formellen EU-Austritt bitten würde, der für den 29. März 2019 angesetzt ist. Das wäre mühsam, aber nicht unmöglich.“
May in ihrer schlimmsten Stunde die Hand reichen
Die Premierministerin braucht nun Schützenhilfe, mahnt The Irish Times:
„Die EU-Mitgliedstaaten, darunter die Regierung in Dublin, sollten alles in ihrer Macht Stehende tun, um Theresa May in ihrer schlimmsten Stunde zu helfen. Wenn sie jetzt als Premierministerin zum Rücktritt gezwungen wird, würde das Risiko eines ungeordneten britischen EU-Austritts ohne Abkommen vermutlich steigen - mit potenziell verheerenden Folgen für Nordirland und die Republik Irland. Wenn es der EU möglich ist, Klarstellungen und Zusicherungen zu machen, die May aus ihrer innenpolitischen Krise heraushelfen könnten, aber gleichzeitig die rechtlichen Vereinbarungen des Austrittsabkommens selbst nicht verwässern, dann sollte das ernsthaft geprüft werden.“
Exit vom Brexit ist eine Illusion
Warum der Brexit nicht zurückgedreht werden kann, erläutert der Tages-Anzeiger:
„Der Brexit startete als Prestigeprojekt der Souveränisten und entwickelt sich jetzt zum Desaster. Nicht nur Theresa May, sondern eine ganze politische Klasse ist desavouiert, das Land tief gespalten und seit mehr als zwei Jahren mit sich selber beschäftigt. Fast schien es, als wollte der Europäische Gerichtshof gestern mit einem Urteil zum Brexit eine Brücke bauen: Die Regierung in London könnte den Austrittswunsch einfach zurückziehen und Grossbritannien EU-Mitglied bleiben, befanden die Richter in Luxemburg. Der Brexit nur ein böser Albtraum? Der Exit vom Brexit ist eine Illusion. Es ist fraglich, ob das zerrissene Land die Kraft für diese Kehrtwende noch hinbekommt.“
Keine Alternative zum Deal
Für den Tagesspiegel ist die britische Premierministerin nun endgültig angezählt:
„May hat im Parlament kaum noch Rückhalt. Die Verschiebung der Brexit-Abstimmung im Unterhaus stellt deshalb einen Verzweiflungsakt dar. Wenn sie vom EU-Gipfel diese Woche keine neuen Zugeständnisse mitbringt, wofür fast nichts spricht, hat eine Neuansetzung des Votums kaum noch Sinn. Der mühsam ausgehandelte Kompromiss würde im Abfalleimer landen. Und May wäre politisch am Ende, egal wie lange sie noch in der Downing Street aushält. ... Wahr ist aber auch: Zu dem ausgehandelten Kompromiss mit Brüssel gibt es keine ernstzunehmende Alternative - es sei denn, man hält den Chaos-Brexit ohne Austrittsvereinbarung für akzeptabel.“