Ausländische Banken in Estland: Fluch oder Segen?
Der Aufsichtsratschef und Mitbegründer der estnischen Bank Pocopay, Indrek Neivelt, hat eine Kampagne gestartet, um insbesondere skandinavische Banken in Estland unter Druck zu setzen. Er wirft ihnen vor, dass sie in Estland zwei Mal mehr Gewinn erwirtschaften als zu Hause, ihre Rentenfonds aber den estnischen Kunden viel weniger bringen als in Schweden. Dies hat in Estland eine Debatte um das Bankenwesen entfacht.
Wichtiger Stabilitätsfaktor
Estland braucht die großen ausländischen Banken, erklärt Jaak Tõrs, Leiter der Abteilung für Finanzstabilität bei der Zentralbank, in Äripäev:
„Während in Estland das Kreditangebot unmittelbar nach der Krise 2008 wieder zu wachsen begann, hat dies in Lettland zehn Jahre gedauert. Das bedeutet, die Banken in Estland waren besser in der Lage, das Wirtschaftswachstum zu stützen, denn Menschen und Unternehmen zu finanzieren, ist ja die Aufgabe der Banken. Die schnelle Genesung gelang deshalb, weil die schwedischen Besitzer die Banken liquide gehalten haben. Für die Zentralbank ist es wichtig, dass das Bankenwesen sowohl in guten als auch schlechten Zeiten funktioniert. Ein breiter Kreis von Eigentümern der Banken fördert dabei die Stabilität.“
Bequeme Verbraucher sind unmündig
Eesti Päevaleht sieht die Schieflage im Bankenwesen durch verschiedene Faktoren verursacht:
„Das Problem, das wirklich existiert, kann auf verschiedene Weise angegangen werden. Neivelt selbst kritisiert vor allem den Staat - Parlament, Estnische Bank, Finanzministerium, Verbraucherschutz und so weiter. Aber vieles, was die Banken und Rentenfonds betrifft, ist auch die Schuld der Kunden selbst, ihrer eigenen Bequemlichkeit. Niemand kann den Knecht zwingen, Herr zu werden, wenn der Knecht keine Lust hat.“