Hat die Welt sich mit der Krim-Annexion abgefunden?
Am 18. März 2014 unterzeichnete Wladimir Putin den Vertrag über die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation - zwei Tage nach einer umstrittenen Volksabstimmung. Bis heute wird die Halbinsel international größtenteils nicht als Teil Russlands, sondern der Ukraine anerkannt. Wie die betroffenen Länder, aber auch das Ausland fünf Jahre später auf die Annexion blicken, beschreiben Kommentatoren.
Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen
Noch immer wollen viele der neuen Realität nicht ins Auge sehen, meint das regionale Nachrichten-Portal Krim.Realii:
„Im März 2014 ähnelte der Westen den drei Affen, die nichts sehen, nichts hören und vor allem nichts sagen wollten. Als die Krim annektiert wurde, hörte man in den Hauptstädten hilflose Rufe, jetzt müsse man 'einen Kompromiss suchen'. Die Annexion war eine kalte Dusche für alle, die überzeugt waren, dass Russland einen Neustart hingelegt hatte. ... Die Ukraine war hier keine Ausnahme. … Das alte Europa weigert sich noch immer, die neue Realität anzuerkennen. ... Und auch bei uns gibt es nach fünf Jahren Krieg viele, die die russische Führung mit Wohlwollen betrachten. Angesichts dessen kann man Europa schwerlich Kurzsichtigkeit vorwerfen, oder?“
Allenfalls eine Katerstimmung
Mit dem Krim-Thema holt man keinen Hund mehr hinterm Ofen vor, stellt Radio Kommersant FM fest:
„Poroschenko hat versprochen, die Krim gleich nach den ukrainischen Wahlen zurückzuholen. Klar, dass er diese dazu mindestens gewinnen müsste. Kiew hat offensichtlich anderes zu tun. ... Eine besonders feierliche Atmosphäre ist auch [in Russland] im landesweiten Maßstab nicht zu bemerken. Das Volk hat sich daran gewöhnt, dass die Krim unser ist. Doch der aufrührerische Gedanke, warum man dort Kraftwerke, Brücken und Straßen baut und nicht hier bei uns, ist auch gerechtfertigt. ... Russland ist zwar groß, aber es hat nur eine Lieblingsregion.“
Russland hat sich zum Paria-Staat gemacht
Die Annexion der Krim hat dem Westen klar gemacht, mit wem er es in Moskau zu tun hat, analysiert The Daily Telegraph:
„Die Nato hat - spät aber dennoch - die Sachlage anerkannt, mit der sie konfrontiert ist, auch wenn einige Mitgliedstaaten immer noch erwarten, dass die USA für ihre Verteidigungsausgaben aufkommen. ... Niemand will einen Konflikt mit Russland. Doch eine Konfrontation wird viel wahrscheinlicher, wenn dem Kreml nicht klar zu verstehen gegeben wird, dass seinen Expansionsabsichten entgegengetreten wird. Nach der Krim-Annexion dachte Wladimir Putin, dass er mit allem, sogar mit Attentatsversuchen im Ausland, durchkommen könne. Doch Russland ist ein Paria-Staat geworden, dem wenige vertrauen und der aufgrund seiner politischen Führung isoliert ist.“
Putins Krim-Bonus ist aufgebraucht
Russland täte gut daran, an der Lösung der Krim-Krise zu arbeiten, meint Turun Sanomat:
„Die Annexion der Krim hatte die Popularitätswerte Putins und der Armee noch erhöht. Doch jetzt ist der Krim-Bonus aufgebraucht. Die Beliebtheit von Präsident, Regierung, Geheimdienst, Banken und Oligarchen nimmt ab. … Die Sanktionen, die Renten- und Steuerreform sowie die überholte Wirtschaftsstruktur schwächen das Vertrauen der Bürger in ihre Führung. In autoritär geführten Systemen wird häufig von innenpolitischen Problemen abgelenkt, indem der Fokus auf äußere Bedrohungen gelegt wird. Hoffentlich gibt es für solch eine Politik keinen Bedarf mehr. Eine Entspannung der Ukraine-Krise wäre auch zum Vorteil Russlands.“
Es geht steil bergauf
Ria Nowosti findet, dass der Krim dank Russland viel Gutes widerfahren ist:
„In diesen fünf Jahren ist aus der nach Kiewer und Washingtoner Sichtweise 'abtrünnigen' Halbinsel ein organischer Teil der großen Russischen Föderation geworden. Und dabei geht es nicht nur um die Krim-Brücke, deren Zugtrasse in diesem Jahr in Betrieb geht und deren Straßenteil schon zum gewohnten Anblick geworden ist. Und auch nicht um den Bau zweier nagelneuer Kraftwerke, deren erste Blocks jetzt schon fast auf Volldampf laufen und die Energiesicherheit der Halbinsel gewährleisten. Und nicht um die Autobahn 'Tavrida' und den allen internationalen Standards entsprechenden Flughafen in Simferopol. Die wichtigsten Veränderungen in diesen Jahren sind im Bewusstsein der Menschen geschehen, und nicht nur bei den Bewohnern der Krim, sondern auch bei allen anderen Russen.“
Auch Triumphzüge haben ihren Preis
Wedomosti betrachtet die anhaltende Krim-Euphorie mit einem gewissen Sarkasmus:
„Russlands Geschichte erreichte im März 2014 ihren Höhepunkt und ein glückliches Ende. Eine goldene Ära begann, nur verfinstert durch den Rückgang der Realeinkommen und die Depression der Konsumenten. Doch psychologisch ist sie nicht minder golden. Man muss eben für alles bezahlen. Und auch wenn wir es satt haben, zu zahlen: Politische Alternativen und anderen sozialen Klebstoff als die Krim gibt es nicht und braucht es nicht. Mit der Fortsetzung des Krim-Triumphzugs haperte es dann aber: Im Donbass hat das nicht geklappt, ebensowenig wie mit der Präsidentschaft Trumps, dessen Sieg in der Duma noch mit Sekt begossen worden war. Doch die Krim-Mehrheit, zwar erodierend aufgrund sozial-ökonomischer Mängel und unwissend, wieviel Steuergeld auf die Krim fließt, ist politisch nach wie vor stabil.“
Putin ist der größte Feind der Russen
Delfi blickt kritisch auf den Zustand Russlands fünf Jahre nach der Annexion:
„Es gibt eine lange Reihe von Argumenten, die belegen, dass Putin die Russen mehr hasst als der russenfeindlichste Litauer. Nicht die Litauer und die Polen haben den Russen die freie Presse und das Recht auf freie Wahlen genommen. ... Putin hat Russland die Möglichkeit genommen, endlich zu einem normalen Staat zu werden, der in erster Linie für seine Bürger sorgt, statt zu einem Gierschlund, dem es am wichtigsten ist, dem Nachbarn ein Stück Land zu stehlen. Putin und seine Clique finanzieren sich Paläste und Jachten mit gestohlenem Geld. ... Diese Clique lässt über den Westen fluchend die geraubten Milliarden von Euros in die westlichen Banken fließen. Die Russen bleiben indes nackt zurück - ohne Krankenhäuser und manchmal auch ohne Strom und Heizung.“