Britische Kommunalwahl: Pro oder Contra Brexit?
Bei den Kommunalwahlen in Großbritannien haben die beiden großen Parteien, Tories und Labour, große Verluste erlitten. Die Liberal Democrats, die den Brexit verhindern wollen, gewannen hingegen viele Stimmen hinzu. Premierministerin May deutete das Wahlergebnis als Aufforderung an die großen Parteien, beim Brexit endlich voranzukommen. Einige Kommentatoren sehen das anders.
Große Parteien verstehen die Wähler falsch
Tories und Labour sollten die richtigen Schlüsse nach der Kommunalwahl ziehen, mahnt The Observer:
„Es überrascht doch sehr, dass beide Großparteien aus dem Wahlergebnis offenbar die Botschaft abgeleitet haben, 'endlich den Brexit umzusetzen'. ... Die große Zahl ungültiger Stimmen legt nahe, dass der Frust unter einigen Brexit-Befürwortern groß ist. Doch die Zugewinne der Pro-EU-Parteien zeigen, dass die Pro-EU-Wähler nicht weniger motiviert waren, die großen Parteien für deren Brexit-Politik abzustrafen.“
In drei Wochen räumen andere ab
tagesschau.de sieht im guten Abschneiden der Brexit-Gegner hingegen keinen Grund für übertriebene Hoffnungen:
„Denn weder hat sich an der Spaltung des Landes in dieser Frage etwas geändert, noch an den Mehrheitsverhältnissen im Unterhaus. Das wird sich bei den Wahlen zum EU-Parlament in drei Wochen sogar noch bestätigen und verstärken. Dann werden die Brexit-Anhänger massenweise zur neuen Brexit-Partei von Nigel Farage strömen, die bei den Kommunalwahlen nicht antrat, in Umfragen aber aus dem Stand heraus landesweit auf mehr als 20 Prozent kommt. Und um die Stimmen der Brexit-Gegner werden sich die Liberaldemokraten mit ChangeUK streiten, der neuen Partei aus ehemaligen Labour- und Tory-Abgeordneten, die bei den Kommunalwahlen ebenfalls nicht am Start war, aber exakt dieselbe Wählergruppe ansprechen.“
Zwei-Parteien-System noch nicht am Ende
Dass das Wahlergebnis eine drastische Veränderung der britischen Parteienlandschaft zur Folge hat, glaubt Keskisuomalainen nicht:
„Ungeachtet der Probleme, die die großen Parteien haben, ist es zu früh, das Ende des Zwei-Parteien-Systems in Großbritannien vorherzusagen, denn das Mehrheitswahlsystem hat es fest zementiert. Die größten Parteien dürften ihre starke Stellung im Parlament behalten, selbst wenn ihr Stimmenanteil deutlich fallen würde. ... Unstrittig ist jedoch, dass der Brexit-Prozess die Popularität insbesondere der Konservativen auf ein außergewöhnliches Tief hat fallen lassen. Die Umfragewerte der Partei sind seit Jahresbeginn um beinahe 15 Prozentpunkte gesunken und bei der EU-Wahl wird ihnen ein Verlust von zehn Prozentpunkten prophezeit.“