Labour-Abtrünnige bekommen Verstärkung von Tories
Drei Parlamentarierinnen der Tories haben ihre Partei verlassen und sich der Independent Group der abtrünnigen Ex-Labour-Abgeordneten angeschlossen. Diese waren Anfang der Woche aus ihrer Partei ausgetreten. Als Grund nannten die drei Tories den "desaströsen Umgang mit dem Brexit". Journalisten sind gespannt, was die nun elfköpfige Gruppe in der britischen Politik bewirken wird.
Sehnsucht nach etwas Neuem
Die Erfolgschancen der Independent Group stehen gar nicht schlecht, urteilt The Evening Standard:
„Die gemäßigte politische Mitte wird von den riskanten Vorstellungen und Plänen der Extremisten zur Verzweiflung getrieben. Die Führer beider Großparteien sollten daraus lernen. Und wenn sie das nicht tun, was zu erwarten ist, dann werden vielleicht die Wähler ihre eigenen Schlüsse ziehen. Laut einer ersten Umfrage kommt die neue politische Gruppierung auf zehn Prozent Zustimmung. Das mag noch nicht viel bedeuten, ist aber ein Zeichen dafür, dass eine große Sehnsucht nach etwas Neuem vorherrscht. Viele Bürger werden die neue Gruppe genau beobachten und ihr das Beste wünschen.“
London setzt auf italienischen Stil
Nun herrschen im Vereinigten Königreich italienische Zustände, frotzelt London-Korrespondent Enrico Franceschini in La Repubblica:
„Lange Zeit beneidete der Rest Europas Großbritannien um seine Politik. Ihre Merkmale waren Stabilität, Pragmatismus und ein regelmäßiger Wechsel zwischen den beiden dominierenden Parteien, Konservative und Labour. Das Italien der Ersten Republik, aber auch später, schien im Vergleich dazu ein Patent für Chaos zu sein. Nun hat London begonnen, Rom nachzuahmen. ... Die Gefahr, dass es in beiden Parteien zu tieferen Spaltungen kommt, ist alles andere als abwegig. ... Im Vereinigten Königreich könnten wir in baldiger Zukunft anstelle von zwei Parteien, die sich zivil an der Macht abwechseln, komplizierte Koalitionen im italienischen Stil sehen, die nicht unbedingt homogener sein werden als unsere.“
Auch bei Labour liegen die Nerven blank
In den sieben Austritten zeigt sich der Unmut über Jeremy Corbyns Parteiführung, erklärt der Tages-Anzeiger:
„Klar ist fürs Erste nur, dass die sieben es bitterernst meinten. Hier ging es nicht bloß um den generellen politischen Kurs, um fraktionelle Gegensätze. Sondern hier wallte ganz konkret Zorn auf über neue Tendenzen, die seit Jeremy Corbyns Amtsantritt 2015 auf fatale Weise von Labour Besitz ergriffen haben. ... Im Grunde sprachen die sieben vielen Parteigängern aus dem Herzen. Eine überwältigende Mehrheit von Labour-Mitgliedern fordert eine neue Volksabstimmung. Aber Corbyn, der nur Brexit will, stellt sich taub. Wird sich die Partei die gestrige Abspaltung nun zur Warnung dienen lassen? Im Minenfeld des Brexit liegen auch bei Labour die Nerven blank.“
Corbyn wird niemals Premier
Der aktuelle Zustand der Labour-Partei lässt The Times nur mit dem Kopf schütteln:
„Zweifellos wird es durch die Spaltung wesentlich unwahrscheinlicher, dass Corbyn je Premier wird. Zerstört wird zudem jegliche verbliebene Illusion, dass Labour eine Heimstatt ist, die ein Spektrum verschiedener Perspektiven beherbergen kann. Es ist ein Zeichen dafür, wie sehr sich Labour von seinen traditionellen Wurzeln entfernt hat, dass die wachsende Flut von Antisemitismus in der Partei und die kläglichen Schritte der Führung, diesen zu beseitigen, die Spaltung herbeiführten.“
Pakt der Abtrünnigen könnte Schule machen
Für die Gerüchte über die Gründung einer neuen Partei interessiert sich El Mundo:
„Das Brexit-Beben zieht immer weitere Kreise. Keine 40 Tage vor dem EU-Austritt Großbritanniens haben sieben Labour-Abgeordnete die Traditionspartei verlassen, die unter Jeremy Corbyn zum ewiggestrigen Linksextremismus abgedriftet ist. ... Enttäuscht, weil Corbyn nicht den Verbleib in Europa verteidigt und auch wegen seiner pro-palästinensischen Haltung, die sie als antisemitisch verurteilen, erwägen diese Abgeordneten die Gründung einer neuen Partei, in der auch diejenigen Platz fänden, die sich von May abwenden. Es wäre eine Plattform der pro-europäischen Mitte, die sich vom Extremismus abwendet und die Polarisierung überwindet. Das wäre auch ein interessantes Vorbild für Spanien.“