Gaza: Bringt der Waffenstillstand Entspannung?
Nach Raketenangriffen aus dem Gazastreifen und Vergeltungsschlägen von Israels Armee haben sich die Konfliktparteien unter Vermittlung Ägyptens offenbar auf einen Waffenstillstand geeinigt. Der Gewaltausbruch hatte am Wochenende mehr als 20 Tote und Hunderte Verletzte gefordert. Doch die Feuerpause kann Kommentatoren zufolge nicht darüber hinwegtäuschen, dass kein Ende des Konflikts in Sicht ist.
Es werden bald wieder Raketen fliegen
Als Erfolg oder Grund zum Feiern dürfte der Waffenstillstand nicht betrachtet werden, bemerkt Večer:
„Die Palästinenser in Gaza, zwei Millionen Menschen zusammengepfercht auf 400 Quadratkilometern, haben genug von den ständigen israelischen Blockaden ihrer Enklave, ebenso wie Israel genug hat von den ständigen Provokationen der Hamas-Extremisten. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Israels Langzeit-Premier Benjamin Netanjahu sieht die Palästinensergebiete in Gaza und im Westjordanland als legitimes israelisches Gebiet, und da er in US-Präsident Donald Trump seinen größten Verbündeten hat, macht er, was er will. ... Die Palästinenser fragt keiner mehr. Die arabische Welt hat sie aufgegeben und ihr größter Finanzmäzen, die EU, hat zu viele Probleme mit sich selbst. Man darf sich also nicht wundern, wenn aus Gaza bald wieder Raketen fliegen.“
Sirenen passen nicht zum ESC
Hamas und Islamischer Dschihad hatten den Zeitpunkt für ihre Angriffe geschickt gewählt, erläutert Kolumnist Davide Frattini in Corriere della Sera:
„Die fundamentalistischen Führer setzen darauf, dass Premier Benjamin Netanjahu den Konflikt nicht ausufern lassen will. Denn Mitte Mai erwartet Tel Aviv die Prominenz des Eurovision Song Contest. Krieg, Raketen und Sirenen, die in der Metropole am Mittelmeer nachhallen, würden das Aus für das musikalische Event bedeuten. Ein Sieg für die Hamas. ... Die Strategie des [israelischen] Premiers ist weiterhin darauf ausgerichtet, den Status quo aufrechtzuerhalten. ... Dass die Hamas Gaza kontrolliert, garantiert ihm, dass die palästinensischen Fraktionen zu keiner Einheit finden, was ein umfassendes Friedensabkommen in weite Ferne rückt. Doch ist Netanjahu zu Zugeständnissen bereit, denn er will einen totalen Konflikt vermeiden.“
Palästinenser haben keine Fürsprecher mehr
Helsingin Sanomat bedauert das mangelnde internationale Interesse an der Situation in Gaza:
„Früher hätten die Ereignisse heftige Reaktionen hervorgerufen, die arabischen Länder hätten gegen die Luftschläge protestiert und die USA rasch versucht, den Friedensprozess im Nahen Osten zu retten. Jetzt ist die Lage eine andere. Sicherlich, die arabischen Länder äußern ihre Unterstützung für die Palästinenser verbal, aber das eigentliche Interesse gilt insbesondere im Falle Saudi-Arabiens der Anti-Iran-Front, bei der es viele gemeinsame Interessen mit Israel gibt. Die USA haben während Trumps Amtszeit auch keinen wirklichen Friedensplan für den Nahen Osten, sondern machen mit Einzellösungen weiter, die vor allem innenpolitischen Zwecken dienen. Deshalb werden die Ereignisse in Gaza zwar wahrgenommen, aber es entsteht kein Druck, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen.“