Netanjahu vor fünfter Amtszeit
Nach der Parlamentswahl in Israel kommt Netanjahus konservative Likud-Partei mit seinen rechten und religiösen Partnern auf die Mehrheit der Parlamentssitze. Er setzt sich damit durch gegen das zentristische Blau-Weiß-Bündnis von Herausforderer Benny Gantz. Allerdings muss Israels Premier mit Anklagen in drei Korruptionsfällen rechnen. Kommentatoren erklären den erneuten Wahlerfolg Netanjahus.
Opposition fehlt konkretes Programm
Warum Netanjahu die Wahl gewonnen hat, analysiert Kristeligt Dagblad:
„Das Oppositionsbündnis Blau-Weiß von Benny Gantz hat blind darauf gestarrt, Netanjahu zu stürzen, anstatt ein konkretes politisches Programm und eine echte Alternative für die rechten Wähler anzubieten. Denen geht es mehr darum, in einem sicheren, stabilen und wohlhabenden jüdischen Staat zu leben, als von einem moralisch unanfechtbaren Premier regiert zu werden. ... Der Premier muss dafür sorgen, dass es keinen großen Krieg gibt, der israelisches Leben kostet. Und auf diesem Gebiet hat Netanjahu mit seinem Blitzkrieg im Gaza-Streifen, seiner Mauer zur Westbank, die Terrorangriffe massiv verringert hat, seiner Annäherung an die arabischen Nachbarn, seinen Angriffe auf iranische Stellungen in Syrien und seiner kompromisslosen Haltung gegenüber den Palästinensern geliefert.“
Israel wählt Stabilität
Es gibt durchaus gute Argumente für eine weitere Amtszeit des israelischen Regierungschefs, gibt El Mundo zu bedenken:
„Trotz seines Rufs als Falke ist es Netanjahu gelungen, ein liberales Projekt zu festigen, das eine lange Periode der politischen und militärischen Stabilität sowie Wohlstand hervorgebracht hat. Die Arbeitslosigkeit sank auf ein Minimum, die Lebensqualität der Bürger ist gestiegen und das Land hat sich zur technologischen Macht entwickelt. Außerdem erwarb sich Netanjahu die Unterstützung der USA in zwei bedeutenden Sicherheitsfragen: die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt sowie die Golanhöhen als eigenen Raum zur Verteidigung, um sich vor dem Hauptfeind Iran zu schützen, dessen erklärtes Ziel es ist, den Staat Israel zu zerstören.“
Amtszeit könnte vor Gericht beginnen
Netanjahu steht wegen Korruptionsvorwürfen gleich zu Beginn seiner fünften Amtszeit unter großem Druck, erklärt Gândul:
„Nach Bildung einer Regierungsmehrheit und seiner Wiederwahl zum Premier wird er zuallererst seine Probleme mit der Justiz lösen müssen. ... Es werden die Anklagedetails veröffentlicht. (Die bisherige Veröffentlichung war vor den Wahlen verboten). Die erste Anhörung ist für den 9. Juli angesetzt. Es sehr gut möglich, dass Bibi hier eine Verschiebung erreicht, weil er jetzt das Land führen muss. … Die Justiz hingegen wird kein Problem damit haben, gegen den Retter des Vaterlandes zu ermitteln, der in der Knesset das sogenannte französische Gesetz verabschieden will, das ihm Immunität garantiert.“
Unter dem Druck der Rechten
Der Politologe Boris Makarenko konstatiert in Nowaja Gaseta einen Rechtsruck in der israelischen Politik:
„In Israel sprechen alle davon, dass die Partei Likud weit nach rechts gedriftet ist und die meisten ihrer Abgeordneten rechter sind als ihr Anführer. Und jetzt wird Netanjahu in vielen Punkten zur Geisel einer Situation, in der auch der Großteil seiner Koalition weiter rechts steht als er selbst. Und das in allen Aspekten. Auf ihn wird es Druck geben hinsichtlich Reformen, die die Vollmachten der Justiz einschränken und hinsichtlich des Projekts der Annexion eines Teils des palästinensischen Westjordanlands. Netanjahu hat lange diese rechten Tendenzen zurückgehalten, aber jetzt wird ihm das schwerer fallen, zumal er selbst unter der Last von Korruptionsvorwürfen steht.“