Sexualdelikte: Brauchen Verdächtige Anonymität?
Popstar Cliff Richard hat mehr als 10.000 Unterschriften für eine Änderung des Umgangs mit Verdächtigen bei Sexualdelikten in Großbritannien gesammelt. Er war jahrelang selbst wegen Missbrauchsvorwürfen zu Unrecht in den Schlagzeilen und fordert nun, dass Verdächtige anonym bleiben sollen, so lange nicht offiziell Anklage gegen sie erhoben wird. Die britische Presse ist gespalten, was die Initiative angeht.
Geheimniskrämerei ist keine Lösung
Verdächtige müssen beim Namen genannt werden, um weitere Opfer zu Anzeigen zu ermutigen, meint The Sun:
„Wäre die Festnahme des pädophilen Fernsehstars Stuart Hall nicht rasch öffentlich gemacht worden, hätten die drei Anzeigen gegen ihn womöglich zu nichts geführt und er wäre ein Nationalheld geblieben. Doch die mediale Aufmerksamkeit trat eine Flut neuer Vorwürfe los, die ein Verhaltensmuster belegten. ... Es darf nicht sein, dass ein transparentes Justizsystem geschwächt wird und Schuldige ungestraft davonkommen können. Es liegt an der Polizei, weniger gutgläubig zu sein, wenn sie versucht, Fantasten von Opfern zu unterscheiden. Sie sollte Verdächtige schneller anklagen oder von Vorwürfen freisprechen. Wer falsche Anschuldigungen erhebt, sollte bestraft werden. Doch Geheimniskrämerei ist keine Lösung.“
Beschuldigte verdienen mehr Schutz
Falsche Anschuldigungen haben das Leben vieler Unschuldiger zerstört, unterstützt The Guardian die Initiative des Popstars:
„Es macht wenig Sinn, die Namen jener sofort zu veröffentlichen, gegen die Vorwürfe erhoben wurden. Als Begründung wird vorgebracht, dass möglicherweise weitere Zeugen die Person identifizieren und sich melden und damit der Anklagebehörde helfen, den Fall vor Gericht zu bringen. Das mag bei jeder Art von Verbrechen der Fall sein. Doch bei Sexualdelikten besteht das große Risiko einer massiven Rufschädigung. ... Zu den Opfern zählen Ärzte, Führungskräfte, Geistliche und viele gewöhnliche Bürger, deren Namen beschmutzt wurden und die ihre Arbeit und ihre Familien verloren.“