Ukraine-Krieg: Wird Moskau einer Waffenruhe zustimmen?

Nachdem Washington und Kyjiw gemeinsam eine Waffenruhe vorgeschlagen haben, richtet sich nun der Blick auf die Reaktion des die Ukraine angreifenden Russlands. Eine hochrangige US-Delegation soll darüber noch in dieser Woche in Moskau verhandeln. Putin besuchte indes am Mittwoch die Front in Kursk, wo russische Truppen von der Ukraine besetztes Territorium zurückerobern. Europas Presse ordnet ein.

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Kurier (AT) /

Der Ball liegt bei Trump

Laut Kurier vermag nur der US-Präsident den Kremlchef zur Räson zu bringen:

„Liegt der Ball jetzt wirklich bei den Russen, wie US-Außenminister Marco Rubio sagt? ... Aus militärischer Sicht dürfte Wladimir Putin keinen Grund sehen, jetzt einem Waffenstillstand zuzustimmen. So liegt der Ball bei Donald Trump. Nur er kann Putin so unter Druck setzen, dass dieser einer – aus seiner Sicht unvorteilhaften – Waffenruhe zustimmt. Da gäbe es etwa den Kellogg-Plan, wonach die Ukraine mit US-Waffen geflutet wird, oder aber massive wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland, die vor allem die Öl- und Gas-Exporte Moskaus betreffen. Putin wird stets so weit gehen, wie man ihn lässt – und derzeit lässt ihn Trump.“

The Daily Telegraph (GB) /

Kosten des Scheiterns verdeutlichen

Die USA und Europa sollten jetzt den Druck auf Moskau erhöhen, findet The Daily Telegraph:

„Ein Teil dieses Drucks könnte durch zusätzliche Militärhilfe ausgeübt werden, indem Lieferungen verstärkt und das Spektrum der den ukrainischen Streitkräften angebotenen Fähigkeiten erweitert wird. Aber der vielleicht empfindlichste Druckpunkt, der den westlichen Staats- und Regierungschefs zur Verfügung steht, ist der Handel: die volle Wucht der Sanktionen gegen die Nationen anzuwenden, die Putin geholfen haben, dem wirtschaftlichen Würgegriff zu entkommen, der auf seinem Land lastete. ... Wenn die US-Unterhändler jetzt nach Moskau reisen, sollten die Kosten eines Scheiterns bei der Suche nach einer Einigung deutlich gemacht werden.“

Echo (RU) /

Kursk könnte entscheidender Faktor sein

Journalist Dmitri Kolesew sieht in einem von Echo übernommenen Telegram-Post aufgrund der Frontentwicklung die Chancen für ein Abkommen steigen:

„In den letzten Tagen ist es den russischen Truppen gelungen, in der Region Kursk vorzurücken und in das ukrainisch besetzte Sudscha einzudringen (das sie inzwischen offenbar vollständig kontrollieren). Dies erhöht die Chancen auf eine Feuereinstellung, da Putin zumindest nicht um das Gebiet Kursk verhandeln muss, was für ihn demütigend wäre. Eventuell weiß Putin selbst noch nicht, wie er reagieren soll, und wartet auf ein neues Gespräch mit Trump. Obwohl vieles dafür spricht, dass er das Waffenstillstandsangebot ablehnt (oder versucht, es zu sabotieren), halte ich es dennoch für möglich, dass der Kreml zustimmt. Denn ein Handschlag mit Trump ist der große Gewinn, auf den Putin hofft.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

Russland braucht Frieden

Auch Moskau ist auf eine Einigung angewiesen, glaubt Gazeta Wyborcza:

„Die Stimmung ist pessimistisch, denn Russland braucht Frieden. Die Wirtschaft des Landes leidet unter den Bedingungen des Krieges an einer Art Autoimmunkrankheit. Im erbitterten Wettbewerb um Arbeitskräfte, Ressourcen und Finanzmittel zwischen dem, was 'für die Front', und dem, was für den zivilen Sektor bestimmt ist, verliert der Letztere, was sich immer gravierender auf den Lebensstandard der Bürger auswirkt.“

El Mundo (ES) /

Nicht auf Putins Wort verlassen

El Mundo warnt vor Naivität:

„Die Ukraine hatte wenig Spielraum und hat sich für die beste Option entschieden: Trumps Macht zu ihrem Vorteil zu nutzen. Indem sie seinen Plan bedingungslos akzeptiert, zwingt sie die US-Regierung, nun Moskau zu überzeugen. Trump riskiert sein Image als allmächtiger Weltführer. Es ist allerdings höchstes Misstrauen angeraten. ... Russland könnte einen Waffenstillstand dazu nutzen, Zeit zu gewinnen und die besetzten Gebiete zu sichern. Moskau könnte das Abkommen als Falle nutzen, um seine Armee zu stärken und die internationale Position zurückzugewinnen, die es nach der Invasion verloren hat. ... Putin könnte erneut alle Vereinbarungen brechen, wie er es mit dem Minsker Abkommen getan hat, als er 2022 erneut in die Ukraine einmarschierte.“

Ilta-Sanomat (FI) /

Entscheidende Frage steht noch bevor

Die Positionen Russlands und der Ukraine sind noch weit voneinander entfernt, gibt Ilta-Sanomat zu bedenken:

„Die entscheidende Frage ist wohl, was Russland in den eigentlichen Friedensgesprächen von der Ukraine verlangen wird. Die Forderungen werden mit Sicherheit hart sein, angefangen bei den Gebietsabtretungen. ... Putin versucht nach wie vor, die Ukraine seinen Interessen unterzuordnen und an den von ihm besetzten Gebieten festzuhalten. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seinerseits am Mittwoch eine rote Linie gezogen, die er als seine Hauptforderung in den Verhandlungen bezeichnete: Die Ukraine wird die besetzten Gebiete niemals als Teil Russlands anerkennen. Die Positionen der Konfliktparteien liegen also sehr weit auseinander.“

Lidové noviny (CZ) /

Wichtige Fragen noch offen

Noch ist unklar, wie die Sicherheit der Ukraine gewährleistet werden kann, merkt Lidové noviny an:

„Es ist wahrscheinlich, dass Russland ohne größere territoriale Zugeständnisse einen Waffenstillstand nicht akzeptieren wird oder dass dieser Waffenstillstand nicht lange anhalten wird. Gleichzeitig besteht das Problem darin, dass die Ukraine Garantien dafür braucht, dass die Machthaber Russlands sie nicht erneut angreifen. Allerdings weigern sich die Amerikaner, solche Garantien zu geben. Das Einzige, was bleibt, ist eine Art europäische Garantie oder die Möglichkeit, die Ukraine so zu bewaffnen, dass sie genauso stark ist wie Russland. ... Allerdings ist die Frage, ob die Amerikaner in so etwas investieren wollen.“

Vladimir Fesenko (UA) /

Putin unter Zugzwang

Der Politologe Wolodymyr Fessenko beschreibt auf Facebook die verzwickte Lage des Kremls:

„Putin steht nun vor einem schwierigen Dilemma: Die Ukraine oder Trump. Noch gestern hoffte er wohl, beides zu kriegen – mit Hilfe von Trump die Ukraine zur Kapitulation zu bewegen, mit der Zeit die Kontrolle über die Ukraine wiederzuerlangen und zugleich eine Einigung mit Trump über verschiedene taktische und möglicherweise auch strategische Fragen zu erzielen. Und nun muss er sich entscheiden. … Wenn er doch noch ein taktisch-strategisches Bündnis mit Trump anstrebt, um seine geopolitische Position zu stärken und die Abhängigkeit von China zu mindern, dann müsste er der Waffenruhe zustimmen und seine Absicht aufgeben, die Ukraine zur Kapitulation zu zwingen.“

Alyona Getmanchuk (UA) /

Diplomatie-Erfolg für ukrainische Delegation

Die Politologin Aljona Hetmantschuk resümiert auf Facebook:

„In Saudi-Arabien hatte die Ukraine aus meiner Sicht zwei zusammenhängende grundlegende Aufgaben: Erstens: Möglichst überzeugend zu demonstrieren, dass nicht die Ukraine das Hindernis für den Frieden ist, sondern Russland. ... Zweitens: Den Diplomatie-Ball auf die russische Seite des Feldes zu werfen. Durch eigene Vorschläge, eine proaktive Vision und die Bereitschaft zu einer Waffenruhe unsererseits. Die ersten Informationen und Erklärungen aus Dschidda sowie die Berichte über die Wiederaufnahme der Militärhilfe sowie des nachrichtendienstlichen Informationsaustauschs zeugen davon, dass es der ukrainischen Delegation gelungen ist, diese beiden Aufgaben zu erfüllen.“

Ria Nowosti (RU) /

Annahme in dieser Form ausgeschlossen

Ein Statement der staatlichen Agentur Ria Nowosti deutet an, wie man die Lage in Moskau einschätzt:

„Die Art und Weise, wie wir [den diplomatischen Spielball] zurückschlagen, wird über Russlands Geschick in dieser speziellen diplomatischen Disziplin entscheiden. Wir müssen klug vorgehen und den Ball zurück in die Ukraine spielen, damit wieder Selenskyj zum Hindernis für Trumps Nobelpreis wird. Es kommt für Russland nicht infrage, das Angebot aus Dschidda in seiner jetzigen Form anzunehmen. Der Westen und die Ukraine fordern unisono eine Einstellung der Kampfhandlungen, aber das tun sie seit Februar 2022, wobei niemand das Recht hat, so zu tun, als hätte man nicht gehört, dass Russland einige Bedingungen stellt: die Beseitigung der Gründe für den Beginn der militärischen Sonderoperation [vom Kreml vorgeschriebene Bezeichnung für den Krieg gegen die Ukraine].“

La Repubblica (IT) /

Pokern mit ungewissem Ausgang

Da stehen sich zwei konträre Pläne zur Neugestaltung der globalen Ordnung gegenüber, analysiert La Repubblica:

„Putins extreme Zugeknöpftheit und Trumps völlige Offenheit bilden den unausgewogenen Beginn eines Pokerspiels zwischen den beiden Führern, das unvorhersehbare Ergebnisse haben kann. Denn ihre jeweiligen Ziele sind recht unterschiedlich. Putin will die russische Souveränität über die Ukraine behaupten, um das Projekt einer eigenen Einflusssphäre entlang der nationalen Grenzen wieder aufzunehmen. ...Trump will Putin von Peking lösen und die Verständigung über die Ukraine zum Auslöser einer neuen internationalen Ordnung machen. ... Putin und Trump verkörpern zwei ehrgeizige Pläne zur Neugestaltung der internationalen Sicherheitsordnung, die im Moment nicht miteinander vereinbar zu sein scheinen.“

BBC (GB) /

Beleidigungen gehören für Trump dazu

BBC erinnert an den Eklat zwischen Trump und Selenskyj nur wenige Tage vor der nun demonstrierten Einigkeit und stellt fest:

„Die Tatsache, dass es den Diplomaten der USA und der Ukraine gelungen ist, die Beziehungen zu verbessern und einen Weg nach vorn zu finden, ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Trump trotz seines offensichtlichen Getöses und seiner Neigung zu Beleidigungen immer noch offen für weitere Verhandlungen zu sein scheint. Für ihn sind Imponiergehabe und Einschüchterung oft ein wesentlicher Teil des Verhandlungsprozesses.“