Attentate in den USA: Was sind die Ursachen?
Nachdem Attentäter in den USA in zwei Städten 30 Menschen erschossen haben, ist die Debatte über Waffengewalt neu aufgeflammt. Die Hintergründe in Dayton, Ohio, sind noch unklar, der Täter in der texanischen Stadt El Paso handelte mutmaßlich aus rassistischen Motiven. Kommentatoren betreiben Ursachenforschung.
Rechtsextreme nutzen Angst vor Klimawandel
In einem vor dem Anschlag veröffentlichten Manifest erklärte der mutmaßliche Täter von El Paso, die 'Übervölkerung' bedrohe das Klima. Dies ist nach Christchurch ein weiteres Attentat im Namen des Ökofaschismus, betont Expressen:
„Zu den ideologischen Führern der Bewegung zählt der finnische Philosoph Pentti Linkola. Er meint, Demokratie funktioniere nicht und Diktatur sei die einzige Möglichkeit, die Klimakatastrophe zu stoppen. Er propagiert Massenhinrichtungen, um die Überbevölkerung aufzuhalten. ... Klimaaktivisten sollten wachsam sein. Ökofaschisten wollen die Umweltbewegung infiltrieren. Die Rechtsextremen haben verstanden, dass man neben Ängsten vor dem wirtschaftlichen Abstieg auch die Angst vor dem Klimawandel ausnutzen kann. So mag Rassismus in grünem Umweltaktivismus 'gewaschen' werden - gleichwohl ist er gefährlich wie eh und je.“
Wütende weiße Männer sind das Problem
Die meisten Attentäter in den USA werden von einer toxischen Form von Maskulinität angetrieben, klagt The Daily Telegraph:
„Sowohl jene, die an die Überlegenheit der Weißen glauben, als auch Frauenhasser werden von dem schädlichen Glauben angetrieben, wichtiger zu sein als alle anderen. Es handelt sich hier um eine Form giftiger Männlichkeit - in der Tat um die giftigste Form - und sie hat eine lange Tradition in den USA, die bis in die düsteren Tage der Sklaverei zurückreicht. ... Den Kauf tödlicher Waffen zu erschweren, wäre eine Möglichkeit, das einzigartige Waffenproblem in den USA anzugehen. Doch selbst wenn es dazu käme - es ist oft probiert und nie erreicht worden -, würde das nicht die eigentliche Ursache beseitigen. Die USA haben ein ernstes Problem mit wütenden weißen Männern, und die entsprechenden Warnsignale sind immer wieder ignoriert worden.“
Internet als Katalysator für Hass
Hassrede auf digitalen Kommunikationskanälen ist nicht zu unterschätzen, mahnt der Soziologe Maurizio Ambrosini in Avvenire:
„Man denke zum Beispiel an die Verschwörungstheorien, wonach die weiße Bevölkerung durch afrikanische, nahöstliche oder asiatische Volksgruppen ausgetauscht werden sollen. ... Auf der einen Seite beobachten wir einfache, meist harmlose Bürger, die alleine vor Bildschirm und Tastatur zu fanatischen Verbreitern der schlimmsten Bosheiten werden, die der menschliche Geist hervorbringen kann. Die Produzenten der Falschnachrichten versorgen sie mit Pseudoargumenten und emotionaler Munition aus politischen oder gar wirtschaftlichen Gründen. ... Und am Ende der Kette stehen dann die wenigen, aber Tod bringenden 'Krieger des Hasses': diejenigen, die die vermeintliche Bedrohung nicht nur ernst nehmen, sondern zur Waffe greifen, um sie zu stoppen.“
Trump fördert Terror in seinem Land
Für die rassistische Gewalt in den USA ist zu einem großen Teil der Präsident verantwortlich, glaubt Valérie de Graffenried, USA-Korrespondentin von Le Temps:
„Donald Trump schreckt nicht davor zurück, den Rassenhass anzustacheln und die Spaltungen zu vertiefen, um seine konservative Wählerschaft zufriedenzustellen. ... Trump handelt wie ein gefährlicher Pyromane. Die Weißen, die an die Überlegenheit ihrer Rasse glauben, fühlen sich durch seine Worte gestärkt und legitimiert. So steht es also um das heutige Amerika. Es ist ein Land, in dem selbst Personen mit psychischen Störungen das Recht auf Waffenbesitz haben. Die Tatenlosigkeit der Regierenden in Sachen Waffenrecht spielt eine große Rolle - doch die brutale Rhetorik des Präsidenten ist die wahre Plage. Wie ein Gift nährt sie den Terrorismus im Land.“
Nicht mit dem Finger auf den Präsidenten zeigen
Für eine differenziertere Sichtweise der Schuldfrage spricht sich hingegen USA-Korrespondent Federico Rampini in La Repubblica aus:
„Sicherlich ist er keine Führungskraft, die das zerrissene und beunruhigte Amerika zusammenbringt und versöhnt. Und doch muss man vorsichtig sein, bevor man einen Zusammenhang zwischen ideologischen Reden und Schüssen herstellt. Massaker geschahen auch unter Barack Obama, der sicherlich nicht zum Rassismus aufwiegelte. In den acht Jahren seiner Amtszeit kam es zu Schießereien, die auf Schwarze, auf Juden oder auf Homosexuelle abzielten. Es gab auch Massaker, die den Stempel des Dschihad trugen. Doch wäre es falsch gewesen, eine direkte Verbindung zwischen diesen und Obamas Nahost-Politik herzustellen.“
Die Heilung der Gesellschaft braucht Zeit
Der Kampf gegen Waffengewalt ist ein langwieriges Projekt, betont Ilta-Sanomat:
„Massenschießereien zu verhindern, ist schwierig. Es gibt so unglaublich viele Waffen, dass sie unvermeidbar auch in die Hände von Radikalen gelangen. ... Nötig ist eine Gesetzgebung, die den Zugang zu Waffen erschwert, strengere Hintergrundkontrollen für Waffenkäufer schafft und Internet-Unternehmen verpflichtet, gegen Hassinhalte vorzugehen. Nötig ist ein Gesinnungswandel, der die Verherrlichung von Waffen eindämmt und die Bereitschaft der Bürger fördert, Mitbürger anzuzeigen, die Gewalttaten vorbereiten. Es gibt nicht nur ein einziges Mittel. Der Weg hin zu einer gesünderen Gesellschaft ist deshalb ein langer.“
Streit über Waffenbesitz völlig ideologisiert
Die verhärteten Fronten tragen nicht dazu bei, den Waffenbesitz in den USA auf vernünftige Weise zu regeln, findet Lidové noviny:
„Niemand ist sich sicher, wie sich die Regulierung von Waffenbesitz auf Verbrechen auswirkt und wie eine optimale Beschränkung aussehen muss. In den USA existieren überraschend wenige Studien, die sich mit dem Thema befassen. Im Unterschied zur Drogenproblematik beispielsweise mangelt es auch an Ausgangsdaten. Die ganze Sache ist politisiert. Niemand will Untersuchungen dazu finanzieren. Ohne rationale Kenntnisse bleibt es nur bei einer ideologischen Debatte. Und in der lassen sich nur schwer Kompromisse finden.“