Hongkong zieht Auslieferungsgesetz zurück
Nach monatelangen Protesten hat Hongkongs Regierung den zunächst auf Eis gelegten Entwurf für das umstrittene Auslieferungsgesetz nun komplett zurückgezogen. Kommentatoren bewerten das eher als Taktik denn als Gesinnungswandel und bezweifeln, dass der Konflikt damit gelöst ist.
Proteste bergen düstere Eigendynamik
Die China-Korrespondentin der Wochenzeitung Die Zeit, Xifan Yang, glaubt nicht, dass die Proteste nun aufhören werden:
„Die Protestbewegung hat inzwischen eine nihilistische, düstere Eigendynamik angenommen. Mit dem Status quo in Hongkong, dem schleichenden Weitererodieren der Bürgerrechte, werden sich die Regierungsgegner nicht zufriedengeben. Kaum einer von ihnen macht sich die Illusion, dass Peking in den kommenden Monaten und Jahren die Schlinge um Hongkong nicht noch weiter zuziehen wird. Die Radikalisierten unter den Demonstranten wollen ihren Kampf zu Ende fechten, ihre Wut verlangt nach irgendeiner Form von erlösender Katharsis, so furchtbar das auch enden mag. Ihre Botschaft an die Regierung: 'Wenn wir brennen, brennt ihr mit uns.'“
Eine demokratische Avantgarde
Als mutige Vorkämpfer der Demokratie in Asien feiert Público die Demonstranten in Hongkong:
„Die täglichen Proteste finden im Regen statt, vor dem Parlament, auf dem Flughafen, trotz Drohungen der Polizei, mit Entschlossenheit, Mut und im Namen von Werten, die kein Demokrat verleugnen kann. Hongkong ist zum Leuchtturm im Kampf für Demokratie geworden. Der Auslöser der Demonstrationen war ein umstrittenes Auslieferungsgesetz, das eigentliche Ziel ist das allgemeine Wahlrecht. Eine Maßnahme, die im Hongkong-China-Abkommen vorgesehen ist, die Peking aber nicht akzeptieren will. Deshalb ist Hongkongs Kampf mutig. Deshalb wird er für die Zukunft der Freiheit in China und Asien von entscheidender Bedeutung sein.“
Ein taktisches Zugeständnis
An der grundsätzlichen Haltung Chinas wird sich nichts ändern, warnt Helsingin Sanomat:
„Wenn sich Meinungsverschiedenheiten zu einer Frage der Autorität zuspitzen, läuft dies fast zwangsläufig auf eine sich verschlimmernde Krise hinaus. ... Eine Rücknahme des Gesetzentwurfs hätte als Gesichtsverlust Chinas gedeutet werden können. Und doch zog Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam den Gesetzentwurf zurück. Dabei lud sie möglichst viel Schuld auf sich selbst, vermutlich in der Hoffnung, dass sich die Demonstrationen beruhigen und China nicht an Autorität einbüßen würde. Das Zugeständnis ist aber wohl kaum ein Strategiewandel Chinas. Chinas Präsident Xi Jinping erklärte, dass bei prinzipiellen Fragen nicht nachgegeben werden dürfe, während man in taktischen Fragen flexibel sein könne.“