Warum können sich Trump und Johnson halten?
Trotz Impeachment-Verfahrens respektive mehrerer Niederlagen im Brexit-Streit sehen US-Präsident Trump und der britische Premier Johnson ihren Rückhalt in der Bevölkerung nicht gefährdet. Journalisten beschäftigen sich mit der Tatsache, dass beide bei den kommenden Wahlen in ihren jeweiligen Ländern gute Gewinnchancen haben; heute in zwei Kommentaren zu Donald Trump.
Die Fakten sprechen für den US-Präsidenten
Trumps Chancen zur Wiederwahl stehen gut, erläutert Vecernji list:
„Fakt ist, dass es sich in den USA besser lebt und die Arbeitslosenzahl auf einem Rekordtief ist. Fakt ist, dass die Wirtschaft wächst und die Anzahl der illegalen Einwanderer sinkt, was einer der Hauptpunkte war, die den Durchschnittsamerikaner besorgt haben, vor allem im Süden. ... Fakt ist, dass Jobs in die US-Fabriken zurückkehren und was die Außenpolitik angeht, ist für den Durchschnittsamerikaner am wichtigsten, dass Trump Waffen an Saudi-Arabien liefert. Trump ist vielleicht in den Augen der Welt kein guter US-Präsident. Aber für einen Großteil der Amerikaner ist er der Präsident, auf den sie gewartet haben. Und sie werden alles tun, um ihm noch ein Mandat im Weißen Haus zu sichern.“
Trumps Stil kommt an
Der US-amerikanische Politologe Jason Smart sieht weitere Gründe, warum Trump Präsident bleiben dürfte. Er erklärt in einem Interview mit segodnya.ua:
„Ein Skandal jagt den nächsten. Das ist sein Stil. Das ist normal für ihn. Warum? Wenn man die Agenda auf diese Weise gestaltet, erinnern sich am nächsten Tag nur noch wenige daran, was gestern war. … Die Demokraten verlieren die Unterstützung der Arbeiterklasse. Trump ist sehr einfach gestrickt. Er schreibt an Erdoğan: Sei kein Narr! So sprechen die Leute auf der Straße. Der gewöhnliche Amerikaner liest keine ernst zu nehmenden diplomatischen Texte. Der typische Wähler in den USA weiß nicht, wo die Türkei liegt und wer Erdoğan ist. Da wirkt Trumps Brief wie ein Paukenschlag. Cool, denkt der einfache Amerikaner.“
Das Unvorstellbare ist Wirklichkeit geworden
De Standaard sieht eine große Gefahr für die Demokratie:
„Plötzlich müssen die Hebel umgelegt werden, die einst eingerichtet wurden für den unwahrscheinlichen, ja hypothetischen Fall, dass die Exekutive auf den irren Gedanken kommt, totalitäre Züge zu entwickeln. Doch an diesem unseligen Punkt befinden wir uns jetzt. Das ist eine große Herausforderung für die liberale Demokratie. Nicht nur durch die Schamlosigkeit, mit der Trump und Johnson die Grundregeln des politischen Systems mit Füßen treten, sondern auch durch die Sympathie, die sie damit bei ihren Anhängern hervorrufen. ... Die Demokratie wird gegen sich selbst gerichtet. Die Opposition steht in der Ecke.“
Kampf zwischen Demokratie und Populismus
Trump und Johnson stehen symbolisch für den heutigen Konflikt zwischen Führungskräften und Parlamenten, wirft Kolumnist Antonio Polito in Corriere della Sera ein:
„Zwischen alten Parlamenten und neuen aufstrebenden Autokraten herrscht global ein heftiges Tauziehen. ... Auf der einen Seite stehen Führungskräfte, die ihre Macht aus sich selbst heraus, aus ihrer direkten Beziehung zum Volk beziehen wollen. Auf der anderen Seite befinden sich die Parlamente, die diese Führungskräfte dem Gesetz unterwerfen wollen, das sie als Volksvertreter anwenden. Es ist ein unweigerlich zweideutiger Kampf: Schließlich ist die Etymologie der beiden gegensätzlichen Begriffe 'Demokratie' und 'Populismus' die gleiche: Denn 'demos' auf Griechisch bedeutet 'populus' auf Lateinisch.“
Rückkehr in alte Zeiten ist unwahrscheinlich
Solange die Unzufriedenheit in der Gesellschaft fortbesteht, werden populistische Politiker Erfolg haben, meint Helsingin Sanomat:
„In stark polarisierten Gesellschaften wird nur der Version der eigenen Seite geglaubt. Im Fall von ausgeprägtem Misstrauen gegenüber der Gegenseite, kann nicht einmal eine Gesetzesverletzung die leidenschaftlichsten Anhänger verärgern. Die Entwicklung ist damit noch nicht zu Ende. Irgendwann werden die politischen Anführer wechseln. Wenn die Gründe für die Unzufriedenheit aber weiter bestehen, wird es wohl keine Rückkehr in die alte Zeit geben. ... Es ist bereits deutlich geworden, dass schärfere Reden potenziellen Nachfolgern helfen können, an die Macht zu kommen.“