Schlappe für Johnson: Unterhaus-Zwangspause nichtig

Die von Premier Johnson erwirkte Zwangspause des britischen Unterhauses war rechtswidrig - so lautet einstimmig das Urteil von Großbritanniens obersten Richtern. Ein harter Schlag für Johnson, der argumentiert hatte, er müsse während der Suspendierung eine Regierungserklärung, die so genannte Queen’s Speech, vorbereiten. Bringt der Richterspruch nun Klarheit in die verworrene politische Situation?

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The Daily Telegraph (GB) /

Premier will nur den Wählerwillen umsetzen

Der Zweck hat in diesem Fall die Mittel geheiligt, verteidigt The Daily Telegraph das Vorgehen des Premiers:

„Die normalen Gesetze der politischen Schwerkraft wurden durch das Brexit-Referendum und das Versäumnis des Parlaments, die vor mehr als drei Jahren getroffene Entscheidung umzusetzen, außer Kraft gesetzt. Als Johnson sein Amt als Regierungschef antrat, versprach er, die Sache bis Ende nächsten Monats auf die eine oder andere Weise zum Abschluss zu bringen. All jene, die gegen einen Austritt aus der EU sind, tun alles, was in ihrer Macht steht, um ihn aufzuhalten. Aber die Menschen in diesem Land können sehen, was hier vor sich geht. Sie wissen, dass Johnson versucht, das umzusetzen, wofür die Mehrheit gestimmt hat, und dass seine Pläne bei jeder Gelegenheit durchkreuzt werden.“

Sydsvenskan (SE) /

Von Johnson würde man auch kein Auto kaufen

Johnson ist nun endgültig als Lügner entlarvt worden, betont Sydsvenskan:

„Seit seinem Amtsantritt hat er sich bemüht, den Eindruck zu vermitteln, seine Regierung führe mit der EU erfolgreiche Verhandlungen über ein verändertes, besseres Austrittsabkommen. Schon vor dem Bescheid des Obersten Gerichts dürften dies außer seinen hingebungsvollsten Anhängern nur wenige geglaubt haben - nun werden es noch weniger sein. Boris Johnson hat mit aller Deutlichkeit unter Beweis gestellt, dass man sich auf sein Wort nicht verlassen kann und dass er bereit ist, demokratische Prinzipien und Gesetze außer Acht zu lassen, um seinen Willen durchzusetzen. Er ist jemand, von dem kein vernünftiger Mensch einen Gebrauchtwagen kaufen würde. Davon, ihm die Führung eines Landes anzuvertrauen, ganz zu schweigen.“

Die Presse (AT) /

Briten haben nicht für Rechtsbruch gestimmt

Die Niederlage Johnsons vor dem obersten Gerichtshof zeigt das doppelte Missverständnis, dem er und seine Anhänger erlegen sind, urteilt Die Presse:

„Ja, es gab einen Auftrag der Bevölkerungsmehrheit an die Regierung, den EU-Austritt voranzutreiben. Aber es ist ein großes Missverständnis, dass diese Referendumsentscheidung dazu legitimiert hätte, die repräsentative Demokratie auszuhebeln, Rechtsbrüche zu begehen und ein wirtschaftliches Chaos zu riskieren. Die Briten haben mit einer knappen Mehrheit von 52 Prozent für einen EU-Austritt gestimmt, sie stimmten nicht für einen ungeregelten Brexit. Das andere große Missverständnis ist eines der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung eines Premierministers. Denn Johnson muss zwar die Mehrheit der EU-Gegner respektieren, doch ist er auch für jene 48 Prozent verantwortlich, die 2016 für den Verbleib in der EU gestimmt haben“

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Jutarnji list (HR) /

Paradoxes Chaos

Obwohl das Urteil zeigt, dass die Institutionen in Großbritannien beispielhaft funktionieren, herrscht Blockade, analysiert Jutarnji list:

„Das Bizarrste ist, dass dieses ganze Chaos eine legitime Entwicklung in einem demokratischen System ist. Jede Institution macht ihre Arbeit und das Chaos geht weiter. Der Premier versucht, seine Politik durchzusetzen, das Parlament spielt seine Rolle und die Justiz auch. Alle drei Institutionen des Vereinigten Königreiches sind unabhängig. Die Gewaltenteilung funktioniert bisher einwandfrei. Aber eine Antwort, was nach dem 31. Oktober geschehen wird, gibt es trotzdem nicht.“