Spanien hat Franco umgebettet - und nun?
Begleitet von strengen Sicherheitsvorkehrungen ist in Spanien am Donnerstag der Leichnam von Diktator Francisco Franco umgebettet worden - für die Bürger live im Fernsehen zu sehen. Die sterblichen Überreste wurden aus der monumentalen Grabstätte "Tal der Gefallenen" exhumiert und auf einem normalen Friedhof bestattet. Doch für Kommentatoren ist die Geschichte noch nicht abgeschlossen.
Allein eine Ruine wäre ein angemessenes Mahnmal
Die Frankfurter Rundschau hält nichts von der Idee das "Tal der Gefallenen" nun zu einem Dokumentationszentrum umzufunktionieren:
„Auch ohne Franco bleibt es ein Mahnmal zu Ehren der Diktatur. Eine andere Funktion besitzt es nicht und hat es nie besessen. Es könnte und sollte nun geschlossen und sich selber überlassen werden. Als Ruine könnte es vielleicht doch etwas Würde entfalten. ... Das Valle de los Caídos ist ein Monster. Erst wenn es nur noch als Skelett daliegt, kann es eine brauchbare Erinnerung an glücklich überwundene Zeiten sein.“
Lenins Leiche muss noch warten
Anders als Spanien mit Franco ist Russland noch nicht reif, Lenin aus seinem Mausoleum zu holen, analysiert Kommentator Anton Orech von Echo Moskwy:
„Ich finde, eine symbolische Verlagerung der Leiche sollte nicht das Ziel sein, sondern ein Ergebnis. Es geht ja nicht darum, dass auf dem Roten Platz der tote Iljitsch liegt, sondern, dass seine Ideen - Leninismus, Stalinismus, Sowjetdenke - noch lebendig sind. Eine Umbettung würde in diesem Sinne gar nichts ändern. Die Gesellschaft müsste zunächst endgültig überzeugt sein: Dieser Mann war kein Held, seine Ideen waren falsch und brachten dem Land keine blühende Zukunft, sondern Repressionen, Leid und Hunger ... Die Spanier haben, wenn auch nicht einhellig, so doch mit deutlicher Mehrheit, diese Entscheidung für sich getroffen.“
Lasst uns anstoßen!
eldiario.es ist richtig euphorisch:
„Werden unsere Kinder irgendwann die echte Geschichte Spaniens lernen, anstatt der weichgespülten Version des Franco-Regimes? Werden wir es schaffen, die zu verfolgen, die die Verbrechen leugnen oder rechtfertigen? ... Viele Fragen, keine Antworten. Sie beweisen, wie anormal Spanien in Sachen Demokratie ist, nicht nur im Vergleich mit Deutschland oder Italien, sondern auch mit Argentinien, Chile und sogar Kambodscha. ... Heute ist ein historischer Tag. ... Der Putschist, Faschist, Kriegsverbrecher, Völkermörder und Alliierte von Hitler und Mussolini ruht nicht mehr in seinem privilegierten Ort im größten Monument Spaniens. Vor uns liegt ein langer Weg, aber lasst uns anstoßen auf die Hunderttausenden Opfer, auf die Männer und Frauen, die gegen den Franquismus gekämpft haben und den heutigen Tag nicht miterleben können. Diesen Moment des Glücks kann uns keiner nehmen.“
Für den Wahlkampf taugt die Leiche nicht
Wenn der Premier mit der Umbettung auf die Wählergunst abzielt, hat er sich verrechnet, erklärt La Razón:
„Pedro Sánchez kann heute einen kleinen Sieg feiern, aber trotz der Mobilisierung der öffentlich-rechtlichen Medien hat die Figur des früheren Staatschefs, der 1975 gestorben ist, kaum Einfluss auf die Wähler. Ihre überwiegende Mehrheit, 66,4 Prozent, war 1975 noch nicht geboren oder jünger als 15 Jahre alt. ... Sánchez sollte von der Leiche des Caudillo [Führer] nicht zu viel erwarten. Nach dem etwas morbiden Schauspiel von heute werden die Durchschnitts-Spanier zu ihrem Desinteresse an Bürgerkrieg und Diktatur zurückkehren: Angelegenheiten, die längst überwunden sind und auf die man höchstens mit einem ironischen Lächeln reagieren sollte.“