US-Resolution: Armenien-Massaker waren Genozid
Das US-Repräsentantenhaus hat vergangene Woche mit deutlicher Mehrheit eine Resolution verabschiedet, die die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich zwischen 1915 und 1917 als Genozid bezeichnet. Die Türkei, die diese Einordnung zurückweist, reagierte empört. In Europas Kommentarspalten ist man sich uneinig, wie der Entscheid von Washington zu bewerten ist.
Billige Rache an der Türkei
Die regierungstreue türkische Tageszeitung Daily Sabah sieht in dem Beschluss einen Rachefeldzug gegen Staatspräsident Erdoğan:
„Von Sanktionen gegen die Türkei bis zur Kooperation mit nicht-staatlichen Akteuren sucht das US-Establishment nach Wegen, um der PKK bei der Errichtung eines Kleinstaats in der Region zu helfen. ... Das US-Repräsentantenhaus hat gerade den sogenannten Genozid an den Armeniern anerkannt und ein Sanktionsgesetz verabschiedet. Die Europäer wären nachgezogen, wenn sie weniger besorgt über die Flüchtlingskrise wären. Diese harte Antwort ist ein Racheakt - ein Versuch, die Rechnung mit der Türkei zu begleichen, die die YPG-Terroristen von ihren Grenzen verscheucht hat.“
Es geht gar nicht um die Armenier
Auch der Turkologe Juri Mawaschew kritisiert in Iswestija, dass die US-Abgeordneten das Thema Armenier-Genozid vorrangig im aktuellen politischen Kontext sehen:
„Hauptsächlich geht es darum, der Türkei weh zu tun und das - wegen des Memorandums von Sotschi - richtig heftig, in dem man Parallelen zwischen Kurden und Armeniern zieht. Doch die Versuche, mit solchen Vergleichen die Geschichte umzukrempeln, sind nicht überzeugend. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Trump und den Kongressabgeordneten hinsichtlich der internationalen Lage der USA führen dazu, dass die tragischen Ereignisse im Osmanischen Reich von 1915 zu einem Instrument in den Händen unsauberer Polithengste werden. Das ist kein Lösungsansatz. Es entsteht der Eindruck, von den Gesetzgebern interessiere es niemanden, was die tragischen Ereignisse damals darstellten und was nicht.“
Mit Prinzipientreue gegen unberechenbare Führer
Die Entscheidung war richtig, auch wenn sie ihre Zeit gebraucht hat, betont Ta Nea:
„Obwohl sich die Beziehungen [zur Türkei] auf einem Tiefpunkt befinden und von der Laune zweier unberechenbarer und größenwahnsinniger Führer bestimmt werden - Trump und Erdoğan - handelte das Haus unabhängig und traf eine Entscheidung, die auf Prinzipien und nicht auf kalten Berechnungen beruhte. ... In dieser Zeit braucht unsere Welt dringend solche grundsätzlichen Entscheidungen und Handlungen, weil das Schicksal des Planeten in den Händen solcher Führer liegt. Wir müssen dem Denken solcher Führer mit universellen Prinzipien und Werten entgegenwirken, zum Beispiel der Achtung vor dem historischen Gedächtnis.“