Seegrenzen: EU kritisiert türkisch-libyschen Deal
Die EU-Staaten haben das Ende November geschlossene türkisch-libysche Militärabkommen für ungültig erklärt. Dieses legt auch Seegrenzen neu fest, unter anderem zwischen Kreta und Zypern, wo Erdgasvorkommen vermutet werden. Erdoğan bekräftige indes die Bereitschaft der Türkei, Truppen zur Unterstützung der international anerkannten Regierung nach Libyen zu entsenden. Journalisten kritisieren Ankaras Vorgehen.
Die Türkei handelt nach dem Gesetz des Stärkeren
Ankara fürchtet niemanden, glaubt To Vima:
„Die Medien und die Politiker sagen uns, dass das Abkommen zwischen der Türkei und Libyen nicht auf geltendem Recht basiert und daher nichtig und nicht durchsetzbar ist. Nicht alle von ihnen haben Erdoğan sagen hören, dass in der Türkei das Seerecht des Osmanischen Reiches gilt und daher das Abkommen vollkommen legal ist. Wobei das sowieso alles Märchen sind, denn die Türkei beruft sich auf das alte 'Gesetz des Stärkeren'. Sie fürchtet niemanden und vor allem nicht Griechenland und auch nicht Zypern.“
Kommen die nächsten Märtyrer-Leichen aus Libyen?
Was türkische Soldaten in Libyen verloren haben, fragt sich die kemalistische Sözcü:
„Also mein Bruder, wenn du jetzt Militär nach Libyen schickst, was werden unsere Soldaten dort tun? Werden sie in den blutigen Krieg zwischen beiden Seiten [und Landesteilen] einsteigen? Werden die nächsten Märtyrer-Leichen aus Libyen kommen? Uns steht jemand gegenüber, der sowohl das Amt des Parteivorsitzenden als auch das des Staatspräsidenten ausübt. Wie kann er [Erdoğan] so verantwortungslos sprechen? Türkische Soldaten sind keine Macht, die man in jedes beliebige Land schickt. Sie sind dazu da, das Vaterland zu verteidigen. Doch mittlerweile weiß die ganze Welt, dass diese Regierung unsere Armee gern für andere Zwecke benutzt.“
Nicht vom Frust anderer aufhalten lassen
Nicht überraschend sind andere Anrainerstaaten verärgert, kommentiert Daily Sabah:
„Offensichtlich blockiert der Deal ähnliche Abkommen zwischen Griechenland, Ägypten und den griechischen Zyprern. Zugleich stärkt er die juristische Position der Türkei hinsichtlich ihrer Bohrungen und seismischen Forschungsaktivitäten im östlichen Mittelmeer. Daher die heftige Reaktion aus Ägypten und Griechenland zu dem jüngsten Zug der Türkei. Ihre Frustration kann jedoch nicht die beiden maritimen Nachbarn davon abhalten, ihre Grenzen zu bestimmen.“
Die Zeit der Nettigkeiten ist vorbei
Athen sollte sich nicht auf die harte Rhetorik Ankaras einlassen - sich aber auch nicht weiterhin alles gefallen lassen, findet Liberal:
„In der modernen Welt gewinnen diejenigen, die Allianzen aufbauen, und nicht diejenigen, die versuchen, Reiche nach den Maßstäben des Mittelalters und des Feudalismus wiederzubeleben. Wir können nicht ausschließen, dass wir uns an einen Tisch mit der Türkei setzen, um zu diskutieren. Was wir ausschließen müssen, ist die Fortsetzung der bisherigen Politik, die nur in die heutige Sackgasse geführt hat. Die Politik der Partnerschaft und das nette Verhalten haben, wie sich herausstellte, keine Zukunft. ... In den internationalen Beziehungen wie in der Wirtschaft gibt es keine alternativen Politiken. Sie wurden getestet und sind gescheitert und haben sogar großen Schaden angerichtet.“
Ankara arbeitet an der ‘hellblauen Heimat’
Griechenland reagiert völlig zu Recht so heftig, schreibt die Kolumnistin Xenia Tourki in Phileleftheros:
„Ankara will eine maritime Achse [zwischen Libyen und der Türkei] herstellen und 'löscht' für diese Ansprüche Kreta und die Ägäischen Inseln quasi von der Karte. Es ist ein weiterer Schritt in Richtung der ‘Hellblauen Heimat’, des Plans, einen Teil des östlichen Mittelmeers und der Ägäis zu erobern, mit der Begründung, die Inseln hätten außer der Hoheitsgewässer keinen Anspruch auf Meereszonen. Obwohl es sich um einen Vorvertrag handelt, können die Folgen schwerwiegend sein.“
Illegal - und doch wirkungsvoll
Das Abkommen untermauert Ankaras jahrelange Argumentation, erläutert Angelos Syrigos, Professor für Internationales Recht und Außenpolitik sowie Abgeordneter der Regierungspartei Nea Dimokratia, in Kathimerini:
„Nämlich, dass die Inseln nach dem Gesetz keinen Anspruch auf einen Kontinentalschelf haben. Und dazu noch würde es den Streit um den Kontinentalschelf der Kastelorizo-Insel [die aufgrund ihrer geografischen Nähe auch von der Türkei beansprucht wird] auf Kreta verlagern. Das Schlimme ist, dass ein solches Abkommen, obwohl es illegal ist, ab dem Moment der Unterzeichnung nur aufgehoben werden kann, wenn Libyen sich davon zurückzieht, oder indem beide Seiten auf die internationale Gerichtsbarkeit zurückgreifen. Letzteres wird die Türkei niemals akzeptieren. Wenn das Seegrenzen-Abkommen unterzeichnet wird, wird es Griechenland immer in die Quere kommen, so rechtswidrig es auch sein mag.“