Vier-Tage-Woche: Die Zukunft der Arbeit?
Eine alte Idee der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin macht mit Verzögerung international Schlagzeilen: Als Marin noch Verkehrsministerin war, dachte sie öffentlich über die Einführung einer Vier-Tage-Arbeitswoche nach. Finnlands Regierung sah sich nun veranlasst, Gerüchte zu dementieren, wonach sie diese Idee umsetzen wolle. Das Konzept bleibt aber bedenkenswert, finden Kommentatoren.
Estland könnte vorangehen
Wenn Finnland nicht will, könnte ja das Nachbarland die Pläne in die Tat umsetzen, schlägt Õhtuleht vor:
„Im Unterschied zur Erhöhung der Rente oder anderer Sozialleistungen belastet die Kürzung der Arbeitswoche die Staatskasse nicht, sondern füllt sie. ... Die Vier-Tage-Woche oder der Sechs-Stunden-Arbeitstag könnten zumindest für einen Teil der jungen Leute, die angeblich zu Tausenden vom Arbeitsmarkt verschwunden sind [also die weder arbeiten, noch sich in Ausbildung befinden], Argument genug sein, um in die Firmen zurückzukehren. ... Würde sich in unserer Kultur eine kürzere Arbeitszeit etablieren, würde sich die Notwendigkeit, in Rente zu gehen, offensichtlich um einige Jahre verzögern. Auf kurze Sicht hätte die kürzere Arbeitswoche eine gute Wirkung auf den Gehaltsdruck. Langfristig würde sie die Volksgesundheit verbessern, weil die Menschen mehr Zeit zum Schlafen haben.“
Nicht locker lassen!
Der Tagesspiegel findet, nicht nur Finnland sollte diese Idee weiterverfolgen:
„[D]ie Herausforderung ist doch da: Weniger Arbeitszeit muss anders aufgeteilt werden. Im Zeitalter der Digitalisierung wird das zur neuen Verteilungsfrage ... Dazu passt, dass Marin ein bedingungsloses Grundeinkommen kritisch sieht: Ein Teil arbeitet gar nicht, ein anderer 70 Stunden? Da muss ein Ausgleich her. In jedem Fall hat der Gedanke die Diskussion weit über Finnland hinaus geöffnet. Und wenn der Gedanke den Grund für die Tat legt, so bereiten Worte ihr den Weg. Das kann gelingen. Zumal Regierungschefin Marin mit einem Kabinett regiert, das so progressiv wie kein anderes in der Welt ist: Zwölf der 18 Ministerien werden von Frauen geführt, so wie die fünf Parteien in der Koalition. Die werden nicht locker lassen.“
Wir müssen nicht auf die Politik warten
Die Vier-Tage-Woche lässt sich sehr gut selbst finanzieren, meint die Investorin Merja Mähkä in Iltalehti:
„Die Idee ist, Eigentum anzuschaffen, das Einnahmen bringt, zum Beispiel durch eine Anlageimmobilie oder durch Aktiendividenden. Rechnen wir mal: Als Ersatz für die arbeitsfreien Freitage brauchen wir Dividenden in Höhe von rund zwei Monatseinkommen. Beim mittleren Einkommen der Finnen wären das 5000 Euro [jährlich]. ... Wenn die jährlichen Erträge bei 4 Prozent liegen, ist für solche Dividendeneinkünfte ein Aktienpaket von etwa 125.000 Euro nötig. … Falls die Börse so viel abwirft wie bisher, lässt sich dieses Vermögen ansammeln, indem man über 25 Jahre monatlich 120 Euro in einen kostengünstigen Indexfonds einzahlt. … Das ist weder verrückt noch utopisch.“