EU-Haushaltsgipfel endet ohne Ergebnis
Der Brüsseler Sondergipfel zum EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 ist am Freitag ergebnislos zu Ende gegangen. EU-Ratspräsident Charles Michel hatte ein Budget von 1,074 der jährlichen Wirtschaftsleistung vorgeschlagen - einige Länder fordern 1,3 Prozent, Nettozahler wie Deutschland wollen nur 1,0 Prozent zahlen. Europas Presse zeigt sich ernüchtert und fordert Veränderungen.
Europa fehlt der Machthunger
Wieder einmal entpuppen sich die Ambitionen der EU als hohle Phrasen, bedauert El País:
„Ein Sondergipfel in Brüssel, eine nächtliche Debatte, um Europa mit den nötigen Finanzen auszurüsten und die EU zu schaffen, die wir uns vorstellen - das klingt ehrgeizig. ... Aber ohne Mittel ist der europäische Ehrgeiz, ein relevanter globaler Akteur zu sein, reine Rhetorik. ... Während sich Großbritannien auf den Weg in die Ungewissheit aufmacht, müssen die 27 EU-Staaten nun ohne die jährlich zwölf Milliarden Euro aus London auskommen. Jetzt, wo wir mehr als je zuvor ein Europa als Gegengewicht zu den mächtigen USA und zum erstarkenden China brauchen, das seinen Einfluss auf allen Kontinenten ausweitet. ... Europa hat keinen Machthunger. Wir Europäer kommen von der Venus.“
Gefeilsche wie beim Teppichhändler
Ein zukunftsfähiges Europa bleibt ein Wunschgedanke, solange die Staaten über die nötigen Mittel miteinander verhandeln müssen, klagt das Wirtschaftsblatt Les Echos:
„Opfer des Ganzen drohen dabei die Zukunftsprojekte zu werden. Vom 'Green Deal' bis zum Europa der Verteidigung könnten sie auf dem Haushaltsaltar geopfert werden, da die Logik es will, dass es immer einfacher ist, auf Projekte in Planung zu verzichten als auf die der Vergangenheit. ... Die Lösung, um dieser Finanzlogik zu entkommen? Eigenmittel für die EU einführen, anstatt von den Ländern zu verlangen, dass sie 80 Prozent des Gemeinschaftshaushalts finanzieren. Genau darin besteht das Ziel der CO2-Steuer und der Digitalsteuer, auf die die EU-Kommission dringt. ... Nur unter dieser Bedingung hören die 27 auf, über Europas Finanzen wie Teppichhändler zu feilschen.“
Geld nur noch gegen Rechtsstaatlichkeit
Die Einhaltung europäischer Werte wird bei der Verteilung von EU-Mitteln eine immer größere Rolle spielen, glaubt Hospodářské noviny:
„Dass der Gipfel über das EU-Budget für die Jahre 2021 bis 2027 ohne Ergebnis endete, kam nicht überraschend. Mehr als früher spielen dabei auch Zweifel eine Rolle, ob einige Mitgliedstaaten die Werte teilen, auf denen die Europäische Union aufgebaut wurde. Daher wird auch die Möglichkeit erörtert, die Subventionen der Rechtsstaatlichkeit zu unterwerfen. Prag hat diese Probleme noch nicht, aber der tschechische Ministerpräsident sieht sich einer Kontrolle über einen möglichen Verstoß gegen die europäische Richtlinie über Interessenkonflikte gegenüber. Doch wie kann die neue Rechtsstaatlichkeit auch von Regierungen durchgesetzt werden, die bestreiten, dass sie überhaupt solche Probleme haben, und Kritik als Einmischung in innere Angelegenheiten ablehnen?“
Loyalität zählt in Brüssel nichts
Dass Irland, das im Brexit-Poker treu an Brüssels Seite stand, nun mehr zahlen soll, bestätigt die EU-Skepsis von The Daily Telegraph:
„Brüssel und britische EU-Freunde haben stets versucht, uns das Märchen einer einigen EU zu verkaufen, in der alle Staaten gleich wichtig sind. Doch nun, da Großbritannien die Union verlässt und sein Geld mitnimmt, kämpft auf einem Kontinent, der ins Chaos abgeglitten ist, jeder für sich selbst. Der irische Premier Leo Varadkar etwa muss bis zur Bildung einer neuen Regierung in seinem Land die Amtsgeschäfte weiterführen. Er ist in der unglücklichen Lage, sein Land in den Budgetverhandlungen vertreten zu müssen, und hat massiv an politischem Gewicht verloren. Die EU hat ihn wissen lassen, dass Irland künftig mehr zahlen muss, aber weniger bekommt. So belohnen die Eurokraten Loyalität - und das ist ein Grund, warum Großbritannien unbedingt austreten wollte.“