Griechenland: Proteste auf den Inseln eskalieren
Auf Lesbos, Chios und Samos gab es diese Woche heftige Proteste gegen den geplanten Bau geschlossener Lager für Geflüchtete. Zahlreiche Demonstranten und Polizeibeamte sollen bei Straßenkämpfen verletzt worden sein. Die Inselbewohner fordern, dass Migranten nach ihrer Registrierung direkt aufs Festland gebracht werden. Ist Athen mit dem Problem allein überfordert?
Die EU tut, was sie kann
Der Standard wünscht sich, dass die Verwaltung der Lager auf den Inseln von der Uno übernommen wird:
„Die EU kann nicht viel mehr tun, als sie schon tut. Sie schickt nicht nur Milliarden, sondern bereits seit Jahren Experten vom Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) nach Griechenland. Jenseits der Hilfe bei der Registrierung von Migranten dürfen Asylverfahren vom griechischen Staat aber nicht delegiert werden, weil es um Hoheitsrecht geht ... Sinnvoller wäre es, wenn das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR die Leitung der Lager übernähme und diese verbesserte. So könnte nicht nur die Versorgungsqualität gesteigert, sondern auch verhindert werden, dass Millionen in der griechischen Verwaltung versickern.“
Auf Tatsachen bauen statt auf Angst
Die EU braucht endlich einen funktionierenden Migrationspakt, fordert NRC Handelsblad:
„Die Migration wäre in ihrem heutigen Umfang beherrschbar, wenn jeder europäische Mitgliedsstaat einen angemessenen Teil der Flüchtlinge aufnehmen würde. Doch genau hier liegt das Problem. Die Querschießer, allen voran Ungarn, blockieren die Diskussion. Es weht ein kalter Wind durch die polarisierte europäische Migrationsdebatte. Die andauernde Situation, dass Tausende Menschen in Europa unter menschenunwürdigen Bedingungen leben, schreit nach Führungsstärke, europäischer wie nationaler. Nach einer Lösung auf der Grundlage von Tatsachen und nicht auf der Grundlage von Angst. “
Die Verantwortung liegt in Athen
Die einzige Lösung zur Beruhigung der Lage auf den Inseln ist, sie von den hohen Flüchtlingszahlen zu entlasten, schreibt das Webportal Protagon:
„Die griechische Polizei stößt mit Bürgern zusammen, die keine Verantwortung [für die Lage] tragen und deren Leben teilweise zerstört wurde. Der Bau der neuen, geschlossenen Lager ergibt nur dann Sinn, wenn auf den Inseln eine große Entlastung stattfindet. … Diese muss sofort beginnen, damit die Inselbewohner eine positive Botschaft erhalten. .. Gleichzeitig muss der Staat Ressourcen und Leistungen für die Inselbewohner bereitstellen. Die reduzierte Mehrwertsteuer [für die fünf Inseln, wo sich die 'Hotspots' befinden] ist ein Witz, wenn man bedenkt, was dort vor sich geht. Es sei denn, wir haben beschlossen, die Inseln zum Wohle des Festlandes zu opfern. Dies ist eine Sichtweise, die niemand auszusprechen wagt.“
Die Regierung opfert die Inseln
Wie die Inselbewohner von der griechischen Regierung behandelt werden, ist ungerecht und falsch, schreibt die ultrakonservative Dimokratia:
„Die Regierung benutzt die Polizei, um die östliche Ägäis zu einem Brückenkopf des Islams zu verwandeln, weil sie die strategische Entscheidung getroffen hat, die Inseln zu opfern, als wären sie Schachfiguren in einem für Heimat und Bürger nutzlosen Machtspiel. … Die Inselbewohner können zahlenmäßig nicht mit den Wählern auf dem Festland verglichen werden und der Regierung daher bei den Wahlen wenig Schaden zufügen. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass man der Türkei mit der Niederlassung von Zehntausenden von Erdoğans Glaubensgenossen in dieser kritischen und entscheidenden Region einen solchen Gefallen tun würde. “
Inselbewohner ignorieren die Realität
Die Proteste der Lokalbevölkerung sind kindisch, findet die regierungsnahe Kathimerini:
„Sie bestehen darauf, die geografische Realität zu ignorieren, die ihre Inseln neben der türkischen Küste platziert hat. … Sie bestehen auch darauf, das Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei zu ignorieren, wonach das Recht auf Rückführung in die Türkei nicht mehr besteht, wenn Migranten ins Landesinnere [Griechenlands] gebracht werden. Kurz gesagt, sie wollen keine Flüchtlinge und Einwanderer auf ihren Inseln, weder in geschlossenen Zentren, noch in offenen! Sie wollen ihre Ruhe und fordern von der Regierung, einen Weg zu finden, damit die sogenannten Flüchtlingsströme ihre Inseln umgehen können. … Das ist eine kindische Verleugnung der Realität.“
Eine beispiellose Konfrontation
Es ist unmöglich, wie die Regierung mit den Inselbewohnern umgeht, schreibt die linksgerichtete Avgi:
„Der Konflikt zwischen der Regierung und den lokalen Gemeinschaften um die Frage der geschlossenen Lager ist beispiellos. Man kann sich kaum daran erinnern, wann hier das letzte Mal Spezialeinheiten der Polizei eingesetzt wurden, um Aktionen aus der Bevölkerung zu unterdrücken und den Willen der Regierung durchzusetzen. Die Verwaltung des Flüchtlingsproblems scheitert, weil die Regierung an ihre intolerante rechtsextreme Wahlrhetorik gebunden bleibt.“