Lettland: Erste Erfahrungen mit Tracing-App
Vergangenen Freitag hatte Lettland als erster EU-Staat eine eigene Covid-Tracing-App herausgebracht, um Infektionsketten besser nachvollziehen zu können. Die staatliche Anwendung basiert auf einer neuen, von Google und Apple im Rahmen der Pandemie gemeinsam entwickelten Programmierschnittstelle. Bisher haben aber nur etwa 40.000 Personen die App heruntergeladen.
Wie eine Jagd nach Pokémon
Für Neatkarīgā ist die App bisher eher ein Flop:
„Die Anzahl der Personen, die 'StopCovid' heruntergeladen haben, ist nicht groß. Nicht jeder hat ein Smartphone. Wenn das Modell nicht ausreichend modern ist, wird die App nicht akzeptiert. Einige verzichten auch bewusst auf die App. Sie denken, das Tool stammt von der Regierung, die sowieso alles nur regulieren und uns bestrafen will und von der keine Hilfe zu erwarten ist. Jetzt sind auf den Straßen, im öffentlichen Verkehr, in den Krankenhäusern und Polikliniken viele Menschen unterwegs, vielleicht sind sie erkrankt, aber keine App wird ihre Aktivitäten festhalten. ... Die App sieht wie eine Jagd nach Pokémon aus und kann nur von denen gespielt werden, die ein Smartphone besitzen und sich für das Spiel interessieren.“
Wie die tägliche Hygiene
Ieva Ilvesa, die ehemalige Leiterin der Abteilung für Cyber-Sicherheitspolitik im lettischen Verteidigungsministerium, erklärt in Delfi, wie wichtig die Covid-Tracing-App ist:
„Die App ist ein Tool, das wir genauso wählen können wie die tägliche Hygiene, zwei Meter Abstand zu halten und die Hände mit Seife zu waschen. Dies ist unsere Gelegenheit, Ärzten, Epidemiologen und Wissenschaftlern dabei zu helfen, das Virus zu überholen. ... Heute vertrauen wir den Technologien und wissen, dass unser Geld auf das richtige Konto überwiesen, der schnellste und direkteste Weg zur eingegebenen Adresse vorgeschlagen und die nächstgelegene Pizzeria gefunden wird. Verwenden wir doch diese Technologie auch dafür, uns vor Covid-19 zu schützen und hören auf den Chef-Epidemiologen des Landes: Größere Freiheit fordert mehr Vorsicht!“
Dank App in die Freiheit?
Mit der Aussage von Lettlands Premier Krišjānis Kariņš, dank Tracing-Apps könne die Gesellschaft nun wieder in die Freiheit entlassen werden, ist Neatkarīgā nicht ganz einverstanden:
„Werden tatsächlich die Menschen, die die App heruntergeladen haben, eine wunderbare Freiheit genießen? Und wird das Leben ohne App trüb und farblos sein? Oder kann die Nachverfolgungs-App zu einem Reisepass werden, den wir Grenzschutz und Polizei zeigen, um nachweisen können, dass wir kein Covid-19 haben? ... Dafür müsste eine große Zahl von Personen die App installieren und alle Erkrankten müssten ganz ehrlich ihren Krankenstatus eintragen. Selbst im digital fortgeschrittenen Singapur haben nur 12 Prozent der Bevölkerung die App 'TraceTogether' heruntergeladen. Ohne Pflicht ist wenig Enthusiasmus zu erwarten.“