Corona: Welche Unterstützung braucht der Süden?
Nachdem in den meisten europäischen Ländern die Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 deutlich gelockert werden konnten, atmet Europa durch. In den Ländern der Südhalbkugel dagegen, die zumeist erst später von der Pandemie erfasst wurden, steigt die Kurve – mit erheblichen Unterschieden bei den Infektionszahlen – häufig noch an. Was sind ihre spezifischen Probleme und was kann Europa für sie tun?
Autoritäre Vertuschung trübt den Blick
Auch die Unklarheit über die tatsächlichen Fallzahlen ist ein Problem bei der Einschätzung, wie ernst die Lage auf der Südhalbkugel ist, erklärt Corriere della Sera:
„Eine Untersuchung der Coronavirus-Todesfälle in mehr als hundert Ländern zeigt: Die Informationen Dutzender autoritär regierter Länder zu Covid-19 entsprechen nicht der Wahrheit. ... [Brasiliens Präsident] Bolsonaro scheint nur Teil eines größeren Phänomens zu sein. Es ist daher wahrscheinlich, dass es weltweit heute viel mehr Coronavirus-Todesfälle gibt, als es die Statistiken ausweisen. Und die Zensur von Letalitätsdaten könnte nur die Spitze des Eisbergs einer größeren Undurchsichtigkeit autoritärer Regime in Bezug auf die Ausbreitung der Ansteckung und die ergriffenen Gegenmaßnahmen sein.“
Pandemie nützt Terroristen
Die Afrikanische Union beobachtet eine Zunahme der Terroranschläge - etwa im Sahel, im Tschadsee-Becken und in Somalia. Das Virus kann in armen Ländern mit schwachem Staat tatsächlich wie ein Brandbeschleuniger wirken, warnt die Süddeutsche Zeitung:
„Aufständische können eingreifen, wo die Regierung bei der Versorgung mit Medizin, Wasser und Nahrung versagt, und so die Unterstützung der Bevölkerung für ihre Sache gewinnen. Das Vakuum zu füllen, das der Staat hinterlässt, kennzeichnet seit seinen Anfängen zu Beginn des 20. Jahrhunderts den modernen Islamismus. Was die Terroristen brauchen, ist Zustimmung im Volk. Dabei bauen sie auf die Abneigung gegen die eigene Regierung oder ausländische Truppen. Um sich diese zu erkaufen, nutzen sie strukturelle Schwächen des Staates aus - in Zeiten wie diesen gelingt das noch besser als sonst.“
Jetzt müssen wir andere Kontinente unterstützen
Gazeta Wyborcza fordert Europas Staaten auf, ärmeren Ländern zu helfen:
„Es ist klar, dass die Reichen die tobende Epidemie auf anderen Kontinenten nicht ignorieren können. Noch im Februar zeigte der Westen Mitleid mit China, sah das Virus jedoch als lokales Problem an. Wie groß dieser Fehler war, wurde schnell klar. Es ist möglich, die Grenzen geschlossen zu lassen, aber in einer (noch) globalisierten Welt ist dies eine unzureichende und unmittelbare Antwort. Sobald sich Europa erholt hat und sich nicht mehr so viel um sich selbst sorgen muss, muss es anderen helfen, sich vor der Pandemie und dem Ruin zu retten – auch in seinem eigenen Interesse.“
Schuldenerlasse für Afrika!
Ohne Hilfe des Westens kann Afrika die ökonomischen Folgen der Pandemie nicht bewältigen, befürchtet Helsingin Sanomat:
„Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind in Afrika sehr viel tödlicher als im Westen und vermutlich tödlicher als die Pandemie selbst. Der Kontinent exportiert Rohstoffe, landwirtschaftliche Erzeugnisse und Öl. Die Nachfrage danach sowie ihre Preise sind gesunken. Afrika benötigt zudem ausländische Investitionen und Tourismuseinnahmen. … Wohlhabende Länder können die Pandemie mit Konjunkturspritzen überbrücken. Die Staaten in Afrika haben diesen Luxus nicht, sodass die tödliche, extreme Armut jetzt wieder ansteigt. Vielen Ländern wäre schon geholfen, wenn ihre Schuldenquoten durch Schuldenerlass gesenkt und die Kreditzahlungen vorübergehend eingefroren würden.“