25 Jahre Srebrenica
Am Wochenende wurde in Bosnien-Herzegowina und darüber hinaus des Genozids von Srebrenica gedacht. Bosnisch-serbische Truppen kesselten Anfang Juli 1995 Zehntausende bosnische Muslime im Tal der ostbosnischen Stadt ein und ermordeten anschließend über 8.000 Männer und Jungen, während niederländische Blauhelmtruppen tatenlos zusahen. Kommentatoren ziehen Bilanz und Lehren für die Gegenwart.
Unerträgliche Heuchelei
Der Schriftsteller und Journalist Leonardo Coen empört sich in Il Fatto Quotidiano nicht nur über den Genozid selbst:
„Es ist unendlich unmoralisch, den Völkermord zu vergessen, die 8.372 muslimischen Opfer, die von den Serben abgeschlachtet wurden, die 'ethnische Säuberung' im Herzen Europas. ... Noch schlimmer ist es, den Tanz der Heuchler zu vergessen, der jahrelang die Erinnerung an die schmutzigen Massaker begleitet hat, die Manöver und die obszönen Erklärungen der Leugner, die halbherzige Jagd nach den Henkern. ... Was mich aber zutiefst empört und bis heute auf die Palme bringt, ist, dass der unsägliche Oberst Thom Karremans nicht vor das Haager Tribunal gebracht wurde, der in jenem verfluchten Juli 1995 das niederländische Kontingent der Schutztruppe der Vereinten Nationen befehligte, Srebrenica zur 'safe area' erklärte und [die Serbenführer] Mladić und Arkan gewähren ließ.“
Tragödie der Wohlmeinenden
Das Versagen der niederländischen Truppen war vor allem ein Versagen der UN, stellt De Volkskrant fest:
„Der Fall von Srebrenica war der letzte Akt einer Tragödie, die sich im Sommer 1995 abspielte. In dieser Tragödie von guten Absichten und falschen Entscheidungen waren die niederländischen Soldaten - einschließlich des verteufelten Oberst Karremans - nur Figuren. Die UN-Friedenstruppen zeigten sich als Venus in einem Gebiet, in dem Mars herrschte. ... [Das niederländische UN-Kontingent] Dutchbat war auch ein Symbol für das Scheitern der UN. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die niederländische Regierung zwar die Verantwortung, aber nicht die Schuld für das Scheitern des Friedenseinsatzes übernehmen will.“
Hass kann zum Genozid führen
Der Standard warnt vor anhaltender Feindlichkeit gegenüber Muslimen:
„Die systematische Vertreibung und Ermordung von Menschen mit muslimischen Namen in Bosnien-Herzegowina begann bereits 1992 und war das Ergebnis jahrelanger, organisierter, medial gesteuerter Muslimenfeindlichkeit von Rechtsradikalen, die an die Macht gekommen waren. Der Genozid in Srebrenica drei Jahre danach war abzusehen, trotzdem hat man ihn nicht verhindert: ein Totalversagen Europas und der Weltgemeinschaft. 25 Jahre danach ist es angebracht, die Ereignisse im gesamteuropäischen Bewusstsein zu verankern, gerade weil Muslimenfeindlichkeit sich heute im konservativen Mainstream breitmacht. Die Massengewalt rund um Srebrenica 1995 zeigt, wohin eine Hasskampagne führen kann – nämlich zur Ausrottung.“
Genau deshalb sind wir Flüchtlingen verpflichtet
Sydsvenskan erinnert an die Notwendigkeit, Menschen aufzunehmen, die vor Gewalt fliehen:
„Es gibt in unserer Nachbarschaft immer noch Massenmord, Bürgerkrieg und Übergriffe. Auch heutzutage gibt es Kriegsverbrechen, vor denen die Menschen fliehen. Auch heutzutage sind Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und immer noch flieht ein Teil von ihnen nach Schweden, um eine Zuflucht zu finden und ein neues Leben zu beginnen. Das Gedenken an Srebrenica zeigt, wie wichtig es ist, dass Menschen auf der Flucht Schutz vor Tod und Verfolgung erhalten. Gegenüber einem Völkermord in der anderen Waagschale wiegen die Reden von 'Obergrenzen' und 'Kosten' nicht mehr als eine Feder.“