Literatur: Was hinterlässt Mario Vargas Llosa?

Der peruanisch-spanische Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa ist gestorben. Nicht nur mit seinem literarischen Werk eckte er an. Vargas Llosa war auch politisch aktiv und schrieb gegen Südamerikas Diktaturen an. 1990 trat er mit einem marktliberalen Programm bei der peruanischen Präsidentschaftswahl an, verlor aber die Stichwahl gegen Alberto Fujimori. Für die spanische Zeitung El País schrieb er von 1990 bis 2023 Kolumnen.

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El País (ES) /

Genial, widersprüchlich und unabhängig

Man musste nicht mit ihm einverstanden sein, aber man musste ihn lesen, schreibt El País:

„Seine Romane durchquerten das Terrain der moralischen Freiheit und des Ehrgeizes unserer Widersprüche - viele identifizierten ihn als linken Autor - während seine politischen Analysen und öffentlichen Interventionen ihn eher als liberal Konservativen outeten. Das war der Widerspruch dieses Genies. ... Er war nie feige oder lau, wenn es darum ging, als Intellektueller zu agieren: Er löste sich Ende der 1960er Jahre vom Castrismus, als die meisten Intellektuellen dieser blockierten Utopie noch treu blieben, und bewahrte sich ein unabhängiges Urteil. ... Man musste nicht mit Vargas Llosa einer Meinung sein. Aber seine Kolumnen und Romane musste man lesen.“

El Periódico de Catalunya (ES) /

Bewunderung und Abneigung zugleich

Pilar Rahola, selbst Autorin und Politikerin, beschreibt in El Periódico de Catalunya ihr gespaltenes Verhältnis zum nun Verstorbenen:

„Kann man das Werk eines Schriftstellers bewundern und gleichzeitig eine tiefe Abneigung gegen seine Person hegen? ... Vargas Llosa hasste die katalanische Identität erbittert und wurde zum Sprachrohr eines aggressiven, zentralspanischen Nationalismus. Politisch war er ein Extremist, auch in seinem Heimatland. ... Was von Vargas Llosa bleibt, jenseits seiner teils erbärmlichen und schattigen Biographie, sind literarische Denkmäler wie 'Gespräche in der Kathedrale' oder 'Die Stadt und die Hunde', für die er den Nobelpreis erhielt. ... Ein Werk von großer literarischer Qualität, das menschliche Abgründe ausleuchtet und die Seele des Lesers erschüttert.“

Libération (FR) /

Mischung aus Gustave Flaubert und Victor Hugo

In Libération erinnert der spanische Schriftsteller Javier Cercas an Vargas Llosas stilistische Komplexität und sein öffentliches Auftreten:

„Mario Vargas Llosa sagte einmal, dass er in seiner Jugend davon träumte, ein französischer Schriftsteller zu sein. Und wenn ich nun für einen französischen Leser zusammenfassen müsste, was er für unsere Kultur bedeutete, würde ich Folgendes sagen: eine Mischung aus Gustave Flaubert und Victor Hugo. Von Flaubert hatte Vargas Llosa die obsessive Disziplin und die extreme formale Raffinesse (zusammen mit der von Faulkner, der alles in allem sein Lieblingsschriftsteller war); von Victor Hugo den außergewöhnlichen Ehrgeiz und die überwältigende öffentliche Präsenz. Es steht auf jeden Fall fest, dass es schwierig ist, die Dimensionen dieses Mannes zu erfassen.“