John le Carré ist tot - der Spionageroman auch?
Bestseller-Autor John le Carré ist mit 89 Jahren in Cornwall gestorben. Le Carré, bürgerlich David Cornwell, arbeitete einst selbst für Geheimdienste und wurde ab den 1960er Jahren durch seine Spionageromane weltbekannt. Als deren roter Faden gelten die Themen Verrat und Treue. Kommentatoren diskutieren, ob Carrés Werk und der Spionageroman an sich den Kalten Krieg überdauert haben.
Stoff gibt es immer noch genug
Der Fall der Mauer konnte Le Carré nichts anhaben, meint Historiker Andrei Muraru auf republica.ro:
„John le Carré erfand weiterhin schmutzige Geheimnisse des Spionagespiels - sei es in der Pharmaindustrie, im Waffen- oder im Drogenhandel, in der Gangsterwelt, im Krieg gegen Terror oder in der absurden Pro-Brexit-Kampagne. 'Spionage und Romanschreiben gehen Hand in Hand. Für beide braucht man eine Beobachtungsgabe für menschliche Verfehlungen und die vielen Arten von Verrat', sagte der britische Autor. Er war zweifellos ein feinsinniger Erforscher der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg. Er war Chronist der Welt des Kalten Kriegs, aber in gewisser Weise auch unserer heutigen, konfusen und gespaltenen Welt.“
Neuer großer Autor nicht in Sicht
Echo 24 hingegen findet, dass das Ende des Kalten Kriegs de facto auch das Ende des klassischen Spionageromans markierte:
„Von den großen vier Autoren des Genres lebt nur noch der zweiundachtzigjährige Frederick Forsyth. Auch das Berufsbild des Spions hat sich geändert. In einer Zeit allgegenwärtiger Kameras und simpler DNA-Analysen wird es immer schwieriger, einen Agenten unter einer fremden Identität einzusetzen. Informationen werden heute digital gesammelt, indem man Datenbanken hackt. ... Diese neue Zeit wartet literarisch noch auf ihren Forsyth oder le Carré. Das heißt aber nicht, dass der Ruhm der alten Klassiker einfach vergehen wird. Die Meisterschaft der Bücher bleibt.“