Trump-Impeachment: Gretchenfrage für die Republikaner
Gemeinsam mit 50 demokratischen Senatoren haben sechs Republikaner ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump nach Ablauf seiner Amtszeit für zulässig erklärt. Um eine Verurteilung wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ zu bewirken, müssten nun mindestens 17 Republikaner dafür stimmen. Europas Presse diskutiert, warum das unwahrscheinlich ist und was dies über den Zustand der Grand Old Party aussagt.
Selbstmord aus Angst vor dem Tod
Warum immer noch so viele Republikaner zu Trump stehen, erklärt der Washington-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Majid Sattar:
„[D]ie Senatoren haben Angst davor, sich von Trump loszusagen, weil er klargemacht hat, dass er bereit ist, die Grand Old Party zu zerstören. Ein beträchtlicher Teil seiner 74 Millionen Wähler steht weiter hinter ihm. Es sind genügend Leute, um 2022 viele abtrünnige Mandatsträger in den Vorwahlen abzuschießen. Alternativ hat Trump die Idee einer dritten Partei ins Spiel gebracht, die den Republikanern über Jahre die Mehrheitsfähigkeit nähme. Die republikanische Kongressführung begeht so Selbstmord aus Angst vor dem Tod.“
Kampf um die Seele der Partei
Die republikanische Partei steht vor einem äußerst schwierigen Prozess, analysiert The Irish Times:
„In dieser Causa wird nicht nur Donald Trump der Prozess gemacht, sondern die Republikanische Partei selbst auf eine harte Probe gestellt. Trumps Abgang aus Washington hat ein Vakuum im Herzen der republikanischen Politik hinterlassen, weil sich die Parteivertreter im Kongress mit dem Erbe des Trumpismus auseinandersetzen müssen. Die schockierenden Ereignisse des Aufstands vom 6. Januar lösten einen Bürgerkrieg innerhalb der Grand Old Party aus. Sie beschleunigten einen Prozess, der der Partei in jedem Fall bevorstand: die Abrechnung und Neuausrichtung nach der Ära Trump.“
Die Chance zum Befreiungsschlag
Die Möglichkeit wichtiger Kurskorrekturen sieht auch Politiken:
„Allzu lange haben die Republikaner Trumps faustischen Pakt akzeptiert - als Gegenleistung für bedingungslose Loyalität lieferte er konservative Richter und konservative Politik. Aber nun ist Trump weg vom Fenster. ... Die Republikaner sollten die Chance nutzen, dem moralischen Morast des Ex-Präsidenten zu entkommen. Also: Sprecht Trump schuldig - was er eindeutig ist - und nutzt das Impeachment, um die Partei wieder aufzubauen. Das wäre nicht nur gut für die USA, sondern auch für die Republikaner selbst. Die Demokraten brauchen eine konservative Opposition. Und eine verantwortungsvolle republikanische Partei, die willens und in der Lage ist, zusammenzuarbeiten, um die USA wieder auf den richtigen Weg zu bringen.“
Trump-Freunde sollten Verurteilung anstreben
Warum auch Republikaner das Impeachment unterstützen sollten, die Trump gegenüber loyal waren, erklärt The Independent:
„Wenn Trump nie wieder kandidieren darf, würde für diese Republikaner ein Traum wahr. Auf diese Weise können sie die rechtspopulistische Basis zu ihrem Vorteil umwerben und ihn als Märtyrer für die eigene Sache einsetzen. Es liegt ganz in ihrem Interesse, hinter den Kulissen zu versuchen, 17 Republikaner für eine Verurteilung Trumps zu finden. Diesen ausgewählten Parteivertretern könnte nachher drohen, als Verräter gebrandmarkt zu werden. Doch den 20 Senatoren, die soeben wiedergewählt wurden, würde das nicht wirklich schaden. Sie müssen sich bis 2026 keine Sorgen wegen einer möglichen Gegenreaktion der Trump-Verehrer machen - und bis dahin wird dieses ganze traurige Kapitel vergessen sein.“