Sind Frankreichs Unis zu links und Islam-nah?
Frankreichs Hochschulministerin Frédérique Vidal ist wegen einer von ihr in Auftrag gegebenen Studie zum "Islamo-gauchisme" in die Kritik geraten. Untersucht werden soll, ob linke und islamfreundliche Gesinnungen die Auswahl von Forschungsthemen einschränken. Ob die Hochschulen tatsächlich ein Ideologie-Problem haben und wie es zu bekämpfen wäre, wird in der Landespresse sehr kontrovers diskutiert.
Freibrief für illiberale Hexenjagd
Die Initiative der Hochschulministerin ist ein unheilvolles Signal, mahnt L'Opinion:
„Sie ist nicht nur paradox, sondern vor allem gefährlich: Indem diese Art von Einmischungen, die in die Meinungsfreiheit eingreifen, gestattet wird, erlaubt die französische Regierung jedwedem illiberalen Regime in Europa und anderswo, sämtliche Hexenjagden, die es gegen Wissenschaftler, Journalisten oder Aktivisten vornimmt, zu rechtfertigen. Zudem verfällt sie dem gleichen bequemen Schwarz-Weiß-Denken, auf das sich einige Anhänger der Cancel Culture berufen. Für die französischen Universitäten wäre eine Ermutigung für eine möglichst umfassende akademische Freiheit gesünder gewesen. Soll Frankreich sich bei Forschungen zu Gender, Kolonialismus und patriarchalischen Gesellschaften doch mit den größten US-Unis reiben! Der Wettbewerb wird Ideen von Ideologien trennen.“
Kampf gegen die Zivilisation
Le Figaro beobachtet einen
„viel umfassenderen ideologischen Krieg, der unter dem Decknamen der 'akademischen Standards' unermüdlich geführt wird. In den USA nennt man das 'Wokism'; bei uns führt er zur Fixierung auf Rasse, Gender und Identität, von der Forschung bis in die Radiostudios. … Was die akademische Freiheit und bald auch die Meinungsfreiheit insgesamt bedroht, ist nicht die arme Frédérique Vidal, sondern vielmehr diese Doktrinanhänger, die verbissen gegen eine Zivilisation ankämpfen, die sie als an sich schuldig beurteilen. Die Islamo-Linke ist nur ein Aspekt dieser hochentwickelten Dummheit. Und darin besteht die große Gefahr: Intelligenzverfall, Auslöschung der Kultur, die ganz nach Allan Bloom zu 'entwaffneten Seelen' führen.“
Beunruhigendes Abgleiten in Aktivismus
Ein prüfender Blick auf die Unis ist berechtigt, aber die Studie hat einen zu engen Fokus, monieren über 100 Wissenschaftler in Le Monde:
„Es gibt sehr wohl ein Problem im Universitätskosmos, weniger als das des 'Islamo-Gauchisme' ist es jedoch allgemeiner das des aktivistischen Abgleitens von Lehre und Forschung. Es entwickelt sich auf beunruhigende Weise ein Überangebot an Kursen, Artikeln, Seminaren und Kolloquien, die nichts anderes sind als in Pseudowissenschaft verhüllter Aktivismus, der sich verworrener Theorien ('Staatsrassismus') und auffälliger Neologismen ('Weißsein') bedient. … Die Hochschulwelt muss dringend wieder zu ihrer Aufgabe zurückgeführt werden: solide abgestütztes und geprüftes Wissen produzieren und vermitteln und nicht politische Überzeugungen, seien sie auch von den besten Absichten angetrieben.“