Was bringt das Schweizer Verhüllungsverbot?
Die Schweizer Bürger haben am Sonntag mit 51,2 Prozent knapp für ein Verhüllungsverbot votiert. Künftig dürfen Musliminnen in der Öffentlichkeit keine Burkas oder Niqabs tragen. Geldstrafen drohen auch Demonstranten und Hooligans, die ihr Gesicht verbergen. Solche Verbote gelten in mehreren europäischen Ländern. Europas Presse diskutiert die Entscheidung kontrovers.
Klare Ansage gegen totalitäre Ideologie
Das Verbot ist richtig, denn es zielt gegen den Islamismus, meint die Neue Zürcher Zeitung:
„Die sogenannte Burka-Initiative sei lediglich Symbolpolitik, sagten ihre Gegner - und das ist sie auch. Sie wendet sich gegen das Symbol einer menschenverachtenden, totalitären Ideologie. … Beim Ja zum Verhüllungsverbot steht nicht der Islam im Zentrum, sondern der Islamismus. Zu glauben, der politische Islam äussere sich in der Schweiz kaum, ist naiv. Auch hier werden Moscheen mit Geld aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Kuwait oder der Türkei finanziert. Auch hier gibt es Parallelgesellschaften. Die 'Burka-Initiative' ändert daran nichts. Aber sie gibt der Politik den Auftrag, besser hinzuschauen.“
Ein Sieg der Ignoranz
Den Frauen hilft das Verbot am allerwenigsten, kritisiert Der Spiegel:
„In Frankreich haben ähnliche Verbote dazu geführt, dass sich die betroffenen Gruppen weiter isoliert und radikalisiert haben. Wer tatsächlich Politik für eingewanderte Frauen machen und jenen helfen will, die unterdrückt werden, müsste an anderen Stellen ansetzen. Verpflichtende Deutschkurse können helfen. Bildungsprogramme, die über politische und gesellschaftliche Rechte aufklären, Ausbildungswege aufzeigen, juristische Unterstützung anbieten und Gemeinschaftserlebnisse schaffen, sind ebenfalls erfolgreich. ... An diesem Sonntag haben in der Schweiz diejenigen gewonnen, die nicht mit Muslimen, sondern über Muslime reden wollen. Ihr knapper Sieg ist ein Sieg der Ignoranz.“
Dazu führt die Angst vor den Populisten
Die Entscheidung zeugt von einem Versagen der Politik, findet The Irish Times:
„Die Frage des Schleierverbots vereint eine breite Koalition von rechtsgerichteten Nationalisten und Islamophoben bis hin zu militant säkularen Linken. ... Einige Feministinnen stehen auch dahinter, weil sie den Schleier als Unterdrückungsinstrument für muslimische Frauen verstehen. ... Dass ein solch unheiliges Bündnis in einer vorwiegend liberalen Gesellschaft die Mehrheit gewinnt, ist ein enttäuschendes Zeugnis für das Versagen der politischen Führung. Diese war wieder zu sehr darauf bedacht, nicht von der populistischen Rechten übertölpelt zu werden, statt die wesentliche Wahrheit des Pluralismus zu verteidigen: dass wir kulturelle Unterschiede annehmen sollten, statt andere in unsere engen Denkschubladen zu zwingen.“
Demokratische Debatte par excellence
Le Temps dagegen ist voll des Lobes für den Prozess, der zu diesem Verbot geführt hat:
„Was auch immer man von der Initiative halten mag, es ist zu begrüßen, dass die Debatte, anders als bei der Minarett-Kampagne 2009 [die mit einem Bauverbot endete], würdevoll und respektvoll geblieben ist, trotz der Befürchtungen, dass sie aus dem Ruder laufen könnte. Noch besser ist, dass sich etliche führende Persönlichkeiten aus der muslimischen Gemeinschaft, die beim letzten Mal geschwiegen hatten, an der Debatte beteiligten, und zwar sowohl welche, die für, als auch welche, die gegen die Initiative waren. Sie zeigten, dass sie bereit waren, ihre Meinung zu sagen und sich zu integrieren. Mehr als das Ergebnis, von dem nur etwa 30 Personen betroffen sind, ist das die wichtigste Lehre, die man aus dieser Kampagne ziehen kann.“