Kanzlerkandidatur: Ist Laschet gesetzt?
Das CDU-Präsidium hat sich am Montag hinter eine Kanzlerkandidatur von Parteichef Armin Laschet gestellt. In Bayern tat das Präsidium der CSU das Gleiche mit ihrem Vorsitzenden Markus Söder. Der drängt nun darauf, bei der gemeinsamen Entscheidung für einen Kandidaten die Umfragen zu berücksichtigen – in denen er besser dasteht. Europas Presse beleuchtet mit Blick auf den Herbst die Tragweite der Personalie.
Von Europa durchtränkt
Laschet muss nun seine Stärken ausspielen, rät Le Temps:
„Das große Problem für Armin Laschet ist, dass er vor allem von der Spitze der CDU unterstützt wird, die sich aber weigert, eine Mitgliederbefragung durchzuführen. Dieser Mangel an parteiinterner Legitimierung durch die Basis könnte sich am 26. September zu seinen Ungunsten auswirken. Um den Trend umzukehren, muss der frankophile Ex-Europaparlamentarier schnell überzeugen. Im Verlauf seiner Karriere hat er sich als Kämpfer bewiesen. Zudem verkörpert er, wie Merkel, eine in seinem Land geschätzte Politik der Mitte, sowie Stabilität, eine von den Deutschen verehrte Tugend. Er ist von Europa durchtränkt und scheint gewappnet, um die Rolle eines starken Deutschlands im europäischen Konzert am besten gestalten zu können.“
Alles andere als Aufbruchstimmung
Die CDU glaubt, mit Laschet weniger Schaden im Wahlkampf anzurichten, kommentiert Der Standard:
„Dass es zwei Ambitionierte gibt, ist nicht das Problem. Auswählen zu können tut gut ... . Die Schwierigkeit ist vielmehr, dass die Union bei dieser Kanzlerkandidatur ihre Wahl nicht frohgemut und zuversichtlich zwischen zwei Kandidaten trifft, die sie selbst für sehr stark hält. Niemand brennt absolut für Laschet, es gibt keine Begeisterung. Seine schlechten Umfragewerte machen Angst, es grassiert die Frage: Kann der das überhaupt? Daher lautete das Motto der chaotischen Kandidatenkür auch am Montag: Welcher ist denn das kleinere Übel? Mit wem richten wir den wenigsten Schaden im Wahlkampf an? ... Aufbruchsstimmung entsteht so keine.“
Söders Kampf beginnt erst
Der CSU-Chef wird seine Aspirationen so schnell nicht aufgeben, meint Péter Techet in Azonnali:
„Söder ist erst 54, also relativ jung, außerdem wurde er erst 2018 Bayerns Ministerpräsident. Wenn er es ernst meint mit der Kanzlerkarriere, lohnt es sich für ihn vielleicht, die diesjährige mögliche Niederlage in einer eleganten Art und Weise Laschet zu überlassen - damit 2025 dann selbst die CDU Söder auffordert, die Kandidatur zu übernehmen. Würde er bei der diesjährigen Wahl scheitern, dürfte er sich von einer Bundeskarriere endgültig verabschieden: ein bayerischer Politiker hat auf Bundesebene in der Regel keine zweite Chance.“
Konservativ ist vorbei
Weder Laschet noch Söder werden der Union ihr einstiges Gesicht zurückgeben, meint Lidové noviny:
„Der Kurs von Angela Merkel war für viele konservative Wähler unannehmbar. Auch deshalb steht die AfD bei 12 Prozent. Doch die Wahl des CDU/CSU-Kanzlerkandidaten ist kein Referendum über Merkels Erbe. … Wäre der Widerstand gegen den Merkel-Kurs wirklich groß, dann wäre im Januar nicht Laschet neuer Parteichef geworden, sondern Friedrich Merz. ... Auch Söder ist niemand, der einen Schnitt nach Merkel vollziehen würde. Er setzt lediglich darauf, dass er rasant gegen die Epidemie vorgegangen ist und damit aus Bayern das sicherste Bundesland in Corona-Zeiten gemacht hat.“