Kanzlerkandidat Laschet - die richtige Wahl?
CDU-Chef Armin Laschet ist Kanzlerkandidat der Unionsparteien für die Bundestagswahl 2021. Entscheidend war das Votum des CDU-Vorstands in der Nacht auf Dienstag. Danach zog CSU-Chef Markus Söder seine Kandidatur zurück - er wolle Laschet nun "ohne Groll mit voller Kraft unterstützen". Europas Presse betont dessen Qualitäten gegenüber dem umfragestärkeren Söder, sieht die Union aber deutlich angeschlagen.
Von Söders Gnaden
Die Letzten werden die Ersten sein, meint Der Spiegel:
„Der Kandidat aus Nordrhein-Westfalen ist nun Frontmann von Söders Gnaden. Und Söder kann ab hier nur noch gewinnen: Läuft die Wahl manierlich für Laschet, dann ja nur wegen der großartigen, tatkräftigen und loyalen Wahlkampfhilfe des Kandidaten der Herzen aus Nürnberg. Eine künftige Regierung Laschet dürfte sodann wohl noch mehr weise Ratschläge aus der CSU-Zentrale erhalten als die Regierungen Kohl und Merkel zusammengerechnet. Vergeigt Laschet die Wahl jedoch, dann ist klar, mit wem es besser gelaufen wäre: mit Markus dem Großen. Er hätte es besser gewusst und besser gemacht in alle Ewigkeit.“
Kritik prallt an ihm ab wie an Watte
Man sollte Laschet nicht unterschätzen, mahnt De Volkskrant in einem Porträt:
„Seine sanfte Ausstrahlung und versöhnenden Eigenschaften stehen Laschet in der Coronazeit oft im Weg. Er macht, im Gegensatz zu Söder, längst nicht immer einen tatkräftigen Eindruck. ... Laschets erste Aufgabe nach dem zerstörerischen Machtkampf mit Söder ist es, das Vertrauen der Partei und ihrer potentiellen Wähler zurückzugewinnen. ... Von den Umfragen wird er sich in jedem Fall nicht sehr beeindrucken lassen. 'Jeder kann zehn Beispiele von Umfragen nennen, die sich im letzten Moment gewendet haben', ist eines seiner geflügelten Worte. Das kann man als naive Auffassung sehen, aber es gibt Laschet auch eine Aura der Unverletzlichkeit.“
Fader Typ, sicherer Wert
Die Entscheidung für Laschet war auch eine Charakterfrage, und sie wird sich für die CDU langfristig auszahlen, meint der Kurier:
„Armin Laschet steht für die fade Mitte, aber auch für die Merkel'sche Verlässlichkeit. In Zeiten der wachsenden Unsicherheiten mag der Typ Hau-drauf kurz faszinieren. Langfristig sind Berechenbarkeit, Zähigkeit und Sicherheit gefragter. Das ist die Chance, die Laschet im Wahlkampf hat, neben der Fähigkeit, diejenigen, die ihm keine geben, eines Besseren zu belehren.“
Fehde hinterlässt schwere Wunden
Schon etwas überraschend findet Lidové noviny den Ausgang des Duells:
„Laschet hat Steherfähigkeit bewiesen, auch gegenüber deutschen Boulevardmedien. Söder hat diese Fähigkeit womöglich unterschätzt. ... Die Frage ist jetzt, ob es kein halbes Jahr vor den Wahlen gelingt, die Wunden zu heilen, die der brudermordende Kampf hinterlassen hat. Daran zweifeln auch viele Mitglieder der Union. Beide Parteien müssen sich jetzt auf ein gemeinsames Programm einigen. Nicht ausgeschlossen, dass Söder versuchen wird, für seinen Rückzug größeres inhaltliches Gewicht zu erlangen. Auch bei den Personalfragen nach der Wahl. Die CSU strebt traditionell nach starken Ministerien, von denen auch Bayern besonders profitieren kann.“
Deutschland droht in Instabilität zu versinken
Für De Morgen verheißt der aktuelle Zustand der Unionsparteien nichts Gutes:
„Zuletzt häuften sich die Skandale. ... Vielleicht noch schlimmer: Der linke und der rechte Flügel der Partei tragen ihre unzähligen Kämpfe vorzugsweise in der Öffentlichkeit aus. ... Sollte die CDU/CSU im September die vorhergesagte Schlappe erleiden, dann gerät die politische Mitte beunruhigend ins Wanken. Es ist nicht auszuschließen, dass Deutschland im Herbst äußerst instabil wird. ... Das größte Land der Europäischen Union, die bei weitem mächtigste Volkswirtschaft, das Zentrum des Kontinents, früher und jetzt das Scharnier zwischen Ost- und West-Europa. Wenn dort eine politische Krise zu wuchern beginnt, wie wird Europa das überwinden?“