Portugal: Zu früh, um die Freiheit zu feiern?
Am 25. April feiert Portugal den Tag der Freiheit, im Gedenken an die Nelkenrevolution von 1974. Damals führte ein von der klaren Bevölkerungsmehrheit unterstützter Militärputsch fast gewaltlos zum Ende der Salazar-Diktatur. Anders als 2020 versammelten sich dieses Jahr trotz Pandemie mehrere Tausend Menschen auf der Lissaboner Avenida da Libertade. Das bewerten Kommentatoren völlig gegensätzlich.
Wir haben die Pandemie noch nicht besiegt
Diário de Notícias hätte lieber eine weniger große Versammlung gesehen:
„Es gibt mindestens eine wichtige Freiheit, die wir im April 2021 noch nicht gewonnen haben: die Bewegungsfreiheit. Die Avenida da Liberdade in Lissabon war anlässlich des Tages der Nelkenrevolution voller portugiesischer Männer und Frauen. Zu viele Menschen in zu geringem Abstand. Trotz der positiven Entwicklung bei den Corona-Infizierten- und Todeszahlen wurde der Ausnahmezustand bis zum 30. dieses Monats verordnet. Die Pandemie ist noch nicht verschwunden und die Portugiesen haben noch keine Herdenimmunität erreicht. Das sollten wir uns vor Augen halten, wenn wir nach völliger Freiheit und sozialer und physischer Annäherung streben.“
Bewusste, gewissenhafte Mobilisierung
Für Visão hingegen waren die Massenversammlungen kein Widerspruch zu verantwortungsvollem Handeln - eher im Gegenteil:
„Wir leben in schweren Zeiten und sind erschöpft, aber die Demokratie ist nicht ausgesetzt. Nach einem Jahr der Lockdowns, in dem es keine Demonstrationen gab, gingen Tausende Menschen mit dem größtmöglichen Abstand an diesem Sonntag auf die Straße, um der Freiheit zuzujubeln. Ich war auf der Avenida da Liberdade und ich habe das gesehen: Freiheit, Gewissen, Emotionen und Sicherheit. ... In einem Szenario, das von einer tiefgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Krise und den gedankenversunkenen Gemütern bestimmt wird, ist die bewusste Mobilisierung eines Volkes zur Verteidigung seiner Geschichte, seiner Werte und seiner Rechte ermutigend.“