EU: Abkommen ratifiziert, Brexit besiegelt
Das EU-Parlament hat am Mittwoch endgültig dem Brexit-Handelspakt mit Großbritannien zugestimmt, der im Dezember 2020 kurz vor Ablauf der Übergangsfrist zustande gekommen war. Das Parlament hatte die Ratifizierung hinausgezögert, weil es Streit mit London um Zollkontrollen in Nordirland gab. Kommentatoren sind erleichtert, dass das zähe Ringen trotz verbliebener Spannungen nun ein Ende hat.
Versöhnung braucht Zeit
In der Beziehung zwischen der EU und Großbritannien ist viel Porzellan zerbrochen, meint Hospodářské noviny:
„Die Worte des Lobes und der Erleichterung waren zu erwarten. Immerhin ist es das offizielle Ende von fast fünf Jahren langwierigen Verhandlungen. Diese schönen Worte verdeckten jedoch nicht die schiefen Töne der vorangegangenen mehrstündigen Debatte. ... Wie in anderen jahrzehntelangen Partnerschaften werden die Beziehungen noch Jahre nach dem Auseinanderbrechen bestenfalls versöhnt - und das auch nur, weil das Vereinigte Königreich und die Europäische Union an gleicher Stelle der Landkarte bleiben.“
Gift im System
Auch für die Frankfurter Allgemeine Zeitung war die Debatte ein Indiz dafür, wie toxisch das Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien ist:
„Premierminister Boris Johnson traut man alles zu, nur nichts Gutes. Seine Vertragstreue wird nicht zu Unrecht angezweifelt; Johnson hat viel dafür getan, damit diese Zweifel gewachsen sind. Die Drohungen der EU, man werde Londoner Vertragsverletzungen umgehend ahnden, sind nicht die Musik, die man sich für einen Neuanfang wünscht. Doch so ist es nun mal, wenn Gift im System ist.“
Nordirland wird zum Lackmustest
Die schwierigste Prüfung für die Zukunft der Beziehungen wird der Umgang mit Nordirland sein, wo jetzt die EU-Außengrenze verläuft, prophezeit Delo:
„Die nordirischen Behörden sind nun verpflichtet, die Einfuhr bestimmter Waren aus anderen Teilen des Landes zu kontrollieren. Dies führt insbesondere in den pro-britischen Reihen zu dem Gefühl, dass Nordirland bei den Brexit-Verhandlungen den Kürzeren gezogen hat. Die britische und die europäische Seite müssen in den kommenden Jahren beweisen, dass dem nicht so ist. … Weder London noch Brüssel können es sich leisten, partikulare Interessen vor die Wahrung des Friedens und der Stabilität in diesem noch immer problematischsten Teil Europas zu stellen. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel.“
Worst Case ist abgewendet
The Irish Independent versprüht hingegen Zuversicht:
„Die Kontrollen von Waren, die von England, Schottland und Wales nach Nordirland kommen, funktionieren immer besser, weil die Händler lernen, wie die neuen Prozeduren ablaufen. ... Außerdem sind zwei weitere positive Aspekte erwähnenswert, die die Billigung des Handelsabkommens zwischen der EU und Großbritannien durch die Europaabgeordneten mit sich bringt. Zum einen wird die Rückkehr einer harten Grenze zwischen Irland und Nordirland verhindert. Zum anderen wurde das Worst-Case-Szenario abgewendet: Ein ungeregelter Brexit mit Zöllen und Beschränkungen im Handel zwischen Großbritannien und Irland.“
Und tschüss, London!
Ohne Großbritannien ist die EU offensichtlich agiler, stellt Chefredakteur Jordi Juan abschließend in La Vanguardia fest:
„Viele Entscheidungen der EU-Kommission der vergangenen Monate wären offensichtlich komplizierter ausgefallen, wären die Briten noch Teil des Führungsgremiums in Brüssel. Es bleibt noch viel zu tun, bis die EU in wichtigen Aspekten gemeinsam und geschlossen handelt. Aber der Wiederaufbaufonds stellt eine der besten und richtigsten Entscheidungen dar, die jemals getroffen wurden. Wenn wir uns noch gut an die Spannungen mit den sogenannten 'frugal states' erinnern, stellen Sie sich dann vor, wie die Debatte mit Londons Beteiligung ausgesehen hätte! Jetzt gehen wir getrennte Wege. Viel Erfolg dabei! Good bye, London!“