Türkei: Mafia-Chef mit immer brisanteren Vorwürfen
In der Türkei erregen die Videos des im Exil lebenden Mafiabosses Sedat Peker weiter Aufsehen. In nun sieben Youtube-Beiträgen, die insgesamt über 50 Millionen mal gesehen wurden, wirft Peker hochrangigen AKP-Politikern immer mehr kriminelle Verstrickungen vor. Die Rede ist von Drogendeals, Vergewaltigungen und Auftragsmorden. Peker gilt seit seiner Haftentlassung 2014 als großer Erdoğan-Unterstützer. Was geht da vor?
Erdoğan profitiert sogar
Dass der Präsident sich bisher zu den Vorwürfen nicht geäußert und auch nichts gegen die Verbreitung der Videos unternommen hat, findet Yetkin Report verdächtig:
„Das Internet drosseln, ein eiligst verabschiedetes Sendeverbot, Sperrungen - all das geschieht, sobald es in den sozialen Medien zu kleinsten Regungen und Kampagnen kommt. Bei den Peker-Videos, die Tage vorher angekündigt werden, nicht. ... Erdoğan kann diese unsauberen Verbindungen nicht mehr decken. Die Konservativen innerhalb der AKP wollen auch nicht mehr, dass er sie deckt. ... So gesehen kann man sagen, dass es Erdoğan umso leichter fällt, sein Umfeld zu reinigen, je mehr Peker spricht.“
Biden kämpft mit allen Mitteln
Die ganze Serie ist ein abgekartetes Spiel, hinter dem Washington steckt, kommentiert die regierungstreue Sabah:
„Die Biden-Regierung versucht ein bestimmtes Drehbuch zu inszenieren, weil sie in Erdoğan, der in den letzten 19 Jahren aus einer Türkei, die die USA lenken und beherrschen kann, gegen alle Widerstände eine regional und global führende und vollkommen unabhängige Türkei gemacht hat, ein großes Hindernis sieht. ... So, wie sie es bereits in der Vergangenheit mit dem 28. Februar [Militärputsch von 1997] und den Verhaftungen vom 17. bis 25. Dezember 2013 [Korruptionsskandal bei der AKP] versucht haben, versuchen sie es weiterhin und mit immer gewaltigeren Operationen.“
Ursache ist das Präsidialsystem
Die zunehmend autoritäre Staatsform spielt eine entscheidende Rolle für die Verhältnisse in der Gesellschaft, meint Cumhuriyet:
„Wieder stehen Sorgen über die Degeneration des Staates auf der Tagesordnung. Eine große Rolle dabei, dass diese Sorgen hochkochen, spielt zweifelsohne die Abschaffung des 'parlamentarisch- demokratischen Regimes' und dessen Ersetzung durch einen 'Ein-Personen-Staat', der sich 'Präsidialsystem' nennt und nur an einen Menschen gekoppelt ist - also ein System, in dem die Beziehungen, Gefühle und Gedanken von einer einzigen Person den Staat dominieren.“
Peker nicht zum Volkshelden machen
Nur weil der Mafiaboss jetzt die unsauberen Verhältnisse im Staat aufdeckt, ist er selbst kein Unschuldslamm, warnt Murat Yetkin in Yetkin Report:
„Zunächst eine Warnung an junge Menschen. Sedat Peker, dessen Videos wir in den letzten Tagen schauen, als wäre er ein Social Media Influencer, ist kein Oppositioneller, der gezwungen war, aus politischen Gründen ins Ausland zu fliehen. Peker ist auch kein Robin Hood, der unter den Armen verteilt, was er von den Reichen nimmt. Und er ist auch kein Volksheld, der es sich zur Pflicht gemacht hat, die Kanalisationsrohre des Landes zu reinigen. ... Er ist ein Mitglied der Verbrecherwelt.“