Corona-Krise in Russland spitzt sich zu
670 Tote pro Tag: Die Zahl der Menschen, die am oder mit dem Coronavirus sterben, ist in Russland höher als je zuvor, unter anderem wegen der Delta-Variante. Außer Beschränkungen im Grenzverkehr hat das Land seit einem Jahr keine strengen Eindämmungsmaßnahmen angeordnet. Auch mit dem Impfen geht es nur zäh voran - erst zwölf Prozent haben vollen Schutz. Woran liegt's und wohin soll das führen?
Der Preis der Impfskepsis
Russland drohen harte Monate, fürchtet The Irish Times:
„In Russland wie anderswo ist der einzige Weg zur Sicherheit die Impfung. Doch obwohl Russland reichlich Vorrat an Dosen hat - mit vier eigenen Impfstoffen -, hat die breite Öffentlichkeit bisher nur geringes Interesse gezeigt. ... Die offizielle Zahl der Todesopfer liegt bei 126.000. Die hohe Übersterblichkeitsrate deutet jedoch darauf hin, dass die tatsächliche Zahl der Covid-Opfer viel höher ist. Ohne einen raschen Anstieg der Bereitschaft der Menschen, sich impfen zu lassen, droht Russland ein langer, traumatischer Sommer.“
Ohne Reformen sind wir verloren
Radio Kommersant FM sieht die Gefahr, dass Russland durch die Pandemie den Anschluss verliert:
„Das Virus wird weitermutieren, die Todesrate steigt und die Epidemie endet nie. Aber noch ist es nicht zu spät: Der Prozess muss beschleunigt und das Impfen massenhaft werden. Immerhin, das russische Volk hat in letzter Zeit das Unheil bemerkt und geht nun doch zum Impfen. Aber das reicht nicht. ... Jede Katastrophe demonstriert, in welchen Zustand sich die Gesellschaft befindet. Es ist offensichtlich, dass etwas faul ist im Staate. Es braucht, so schlimm das klingt, Reformen und Veränderungen. Denn sollte es so weitergehen, besiegen wir die Pandemie nicht und fallen gegenüber dem ganzen Planeten zurück. “
Importierten Infektionen vorbeugen
Eesti Päevaleht findet die aktuellen Bestimmungen im Grenzverkehr mit dem Nachbarland zu lasch:
„Im Moment dürfen Menschen ohne Krankheitssymptome auch ohne Test, nur mit 10-tägiger Isolationspflicht [aus Russland] einreisen. Und Bürger und Bewohner Estlands sogar unabhängig von Symptomen. Eine Testpflicht bei Einreisen aus Russland wäre berechtigt, denn in der letzten Woche kamen gerade von dort 66 Prozent der estnischen 'Corona-Importe'.“
Aussitzen um jeden Preis?
In St. Petersburg steht heute das Euro-Viertelfinale Spanien-Schweiz an. Die EM scheint die Politik mehr zu kümmern als die Bekämpfung der Pandemie, kritisiert der Tages-Anzeiger:
„Russland glaubte bis vor kurzem, man habe die Pandemie mit Bravour gemeistert und besiegt. ... Der Kreml konnte sich bissige Seitenhiebe auf den 'unfähigen' Westen nicht verkneifen, wo die Zahlen in die Höhe schnellten. Doch nun scheint es, als habe Russland das Schlimmste noch vor sich. ... Die Spitäler [in St. Petersburg] sind am Anschlag ... Doch die Stadt zeigt sich unbeeindruckt: Nicht nur die EM läuft weiter wie geplant, auch sonst wurden kaum Massnahmen gegen die Pandemie ergriffen. ... St. Petersburg scheint die Krise bis zum Ende der EM aussitzen zu wollen.“