Nordirland-Konflikt: London will umfassende Amnestie
Die britische Regierung plant eine neue Amnestie-Regelung für mutmaßliche Täter im Nordirland-Konflikt. Frühere Soldaten, aber auch Paramilitärs wie Ex-IRA-Mitglieder sollen nicht mehr strafrechtlich belangt werden können. Bereits 1998 wurden in Nordirland Verurteilte auf freien Fuß gesetzt, die neue Regelung soll auch fürs britische Festland gelten. Es gehe darum, einen Schlussstrich zu ziehen, erklärte Premier Johnson.
Verhöhnung der Opfer
Überhaupt kein Verständnis für das Vorhaben Londons hat The Irish Independent:
„Angehörige von Opfern auf beiden Seiten empfinden das gleichermaßen als Kränkung. Dass die Leben geliebter Familienmitglieder kaltblütig vorzeitig beendet und großer emotionaler Schmerz verursacht wurden, darf nicht als 'historische Altlast' einfach unter den Teppich der Geschichte gekehrt werden. Für einige – Politiker, Militärs und Paramilitärs – ist all das äußerst zweckmäßig, weil sie hoffen, das begangenes schweres Unrecht für immer unter Verschluss und ungeahndet bleiben wird. Doch Überlebende können es nur als einen weiteren unhaltbaren Akt der Ungerechtigkeit betrachten.“
Nur so ist Neustart möglich
Die geplante Amnestie wird allen Parteien in Nordirland helfen, mit dem unseligen und verfahrenen Konflikt abzuschließen, lobt The Daily Telegraph:
„Es handelt sich hier um ein heikles Thema, und der Schmerz, den viele Familien immer noch empfinden, wird wohl nie verschwinden. Obwohl die Zeit nicht alle emotionalen Wunden heilt, hat Boris Johnson sicherlich recht, wenn er behauptet, die Provinz müsse versuchen, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Die Alternative besteht darin, mit aussichtslosen Bemühungen um Verurteilungen fortzufahren, bis alle, die mit den dunklen Tagen der Unruhen in Verbindung stehen, tot sind. ... Niemand behauptet, dies sei der perfekte Ansatz, aber diejenigen, die dagegen sind, müssen eine realistische Alternative bieten.“