Österreich: Wie unabhängig ist der neue ORF-Chef?
Die österreichische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ORF hat einen neuen Generaldirektor. Der von der türkisgrünen Regierungskoalition dominierte Stiftungsrat hat Roland Weißmann als Chef benannt, dem eine Nähe zur ÖVP nachgesagt wird. Österreichs Presse debattiert, wie es um die Unabhängigkeit im größten Medienhaus des Landes steht.
Persönliches Weltbild ist nicht entscheidend
Solange der neue Chef das Berufsethos nicht vernachlässigt, sieht der Kurier kein Problem:
„Der ORF war immer ein parteipolitisches Schlachtfeld, diverse Reformen waren diesbezüglich nie mehr als Schminke. ... Im Übrigen ist das persönliche Weltbild eines Medienchefs nicht entscheidend, sondern vielmehr dessen Einstellung zu seiner Aufgabe. Im Streitfall zwischen Politik und Redaktion muss er das korrekte Informieren der Öffentlichkeit jedenfalls über das Interesse der Parteien stellen. Das ist der ethische Kern, damit steht und fällt die Glaubwürdigkeit von Information. Und die ist wichtiger denn je. In Zeiten, in denen die Menschen im Internet mit Absurditäten überschwemmt werden, sind die Medien besonders verpflichtet, vertrauenswürdig zu informieren.“
Diese Art der "Wahl" gehört abgeschafft
Die politische Klüngelei bei der Besetzung des Chefpostens findet Die Presse beschämend und undemokratisch:
„Es ist zu befürchten, dass sich bis zur nächsten Bestellung in fünf Jahren an diesem peinlichen Procedere nichts ändern wird. Dann müssen sich die ORFler wieder dafür rechtfertigen, dass die Politik in ihr Unternehmen ungeniert hineinregiert, indem sie den neuen Chef bestimmt, während sich die Journalisten in den meisten Fällen redlich bemühen, ihre Unabhängigkeit zu leben. ... Es ist höchst an der Zeit, die geltenden Regelungen zu erneuern – am besten im Zuge einer möglichst breiten öffentlichen Debatte. Denn der ORF gehört allen Gebührenzahlern, nicht den politischen Parteien. Eine 'Wahl' wie diese sollte es nicht mehr geben.“